Kardinal Maradiaga: Korruption wie Krebs, der Gesellschaft tötet
Spitzenvertreter aus Vatikan und Weltkirche haben beim Tiroler "Forum Alpbach" den Appell zum umfassenden Kampf gegen alle Formen von Korruption erneuert. "Korruption ist wie Krebs, der die Gesellschaft tötet", sagte der honduranische Kardinal und Papstberater Oscar Rodriguez Maradiaga am Dienstagabend bei einer Veranstaltung zum Abschluss eines zweitägigen Arbeitstreffens der interreligiösen Initiative "Ethics in Action". Dazu waren am Montag und Dienstag in Alpbach hochrangige Vertreter aus Weltreligionen, Wirtschaft und Philosophie sowie Anti-Korruptionsexperten zusammengekommen, um über Ursachen und Maßnahmen gegen staatliche Korruption zu beraten.
Korruption bedrohe Leben und Gesellschaft auf vielfältige Weise, so der Tenor bei dem Podiumsgespräch, an dem neben Maradiaga u.a. der US-Ökonom und UNO-Experte Jeffrey Sachs, der nigerianische Kardinal John Onaiyekan und Jermyn Brooks von der Antikorruptionsorganisation "Transparency International" teilnahmen. Sie führe zu Steuerflucht, niedrigem Wirtschaftswachstum und fehlenden Investitionen, trage zu schlechter Bildung und Infrastruktur sowie Umweltzerstörung bei und in letzter Konsequenz auch zu bewaffneten Konflikten. Den Preis dafür zahlten vor allem die Armen.
Bloß korrupte Regime verantwortlich zu machen, reicht aus Sicht des afrikanischen Kardinals Onaiyekan dabei nicht aus. "Es wäre für korrupte Machthaber nicht möglich, Milliarden aus Staatskassen zu entwenden, wenn sie das Geld nicht irgendwo verstecken könnten", spielte er auf in Steueroasen und Konten internationaler Banken verstecktes Geld an. Entsprechende internationale Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung seien bekannt. "Wir wissen, was zu tun wäre, aber es wird nicht gemacht", monierte der Kardinal fehlenden politischen Willen.
Vor Ort könne aber auch jeder Einzelne zum Kampf gegen staatliche Korruption beitragen. Auf Veränderung von oben zu warten, habe dabei meist nicht viel Sinn, zumal Machthaber von der Situation profitieren. Auch korrupte politische Zirkel von innen aufzubrechen, funktioniere nicht, so Onaiyekan. Um hineinzukommen müsse man selbst korrupt werden. "Dieser Teufelskreis muss irgendwann durchbrochen werden", mahnte der Erzbischof der nigerianischen Hauptstadt Abuja.
"Gegen den Strom schwimmen"
Er setzt neben politischen und gesetzlichen Maßnahmen auf internationaler Ebene insbesondere auf Graswurzel-Bewegungen, die die Dinge vor Ort verändern. Als Schlüssel sieht er dazu die jüngere Generation. Auch in seinem Heimatland Nigeria machten die Unter-35-Jährigen mittlerweile die Bevölkerungsmehrheit aus. Sie müssten sich zusammenschließen, für Veränderung eintreten und so Druck auf die herrschende Elite aufbauen.
In einer korrupten Gesellschaft ehrlich zu bleiben, bringe für den einzelnen dabei große Belastungen mit sich, sagte Onaiyekan. "Man muss bereit sein, gegen den Strom zu schwimmen. Aber sobald sich einige Leute zusammenfinden, um das zu tun, wird das System beginnen zusammenzubrechen."
Menschenhandel und Drogenbusiness
Große Machtfülle erzeuge auch große Korruption, sagte der Wirtschaftsprofessor und UN-Sonderberater für die Nachhaltigen Entwicklungsziele Jeffrey Sachs. Und es gebe dabei nicht nur um das Fehlverhalten des Einzelnen. "Korruption verursacht riesige Kosten für die Gesellschaft." Deshalb zähle der Kampf gegen Korruption und Bestechung in allen ihren Formen auch zu den Zielen des UN-Aktionsplans für eine nachhaltige Entwicklung ("Sustainable Development Goals"). "Wir werden der Korruption kein Ende machen können, aber es gibt so viel davon, es ist nicht so schwer, sie zu reduzieren", sagte Sachs.
Gesetze allein reichten dabei nicht aus, um etwa "Alltagskorruption" bei Staatsbediensteten entgegenzutreten, sagte Sean Hagan vom Internationalen Währungsfonds. Notwendig sei auch eine korruptionsfreie Justiz und Polizei - und in diesem Zusammenhang wiederum der Blick auf die soziale Lage in einem Land. "Korruption ist kein Verbrechen aus Leidenschaft, es ist ein Verbrechen aus Berechnung", sagte Hagan. Oft sei es auch eine Frage von zu niedrigen Löhnen und dem schlichten Willen von Staatsbediensteten, die eigene Familie über die Runden zu bringen.
Ein Beispiel für ähnliche Verflechtungen gab auch Kardinal Maradiaga. Er rief dazu auf, den mit Korruption verbundenen Menschenhandel und das florierende "Drogenbusiness" nachdrücklicher zu verfolgen. Die Regierungen hätten Programme gestartet, um etwa gegen den Drogenhandel vorzugehen. Nun seien in diesem Bereich Jugendgangs ein wachsendes Problem: "Wenn es für die Jungen keine Arbeitsplätze gibt, sehen sie keine Chancen und können leicht für das Drogenbusiness rekrutiert werden."
Moral hält Demokratie zusammen
An den "Ethics in Action"-Gesprächen in Alpbach nahm auch der vatikanische Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo als einer der Mitbegründer der Initiative teil. Die größten Probleme der westlichen Welt seien Korruption und die Schwächung der Demokratie - zwei an sich verschiedene Phänomene, die aber zusammenhängen, wie der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in einem Interview mit der Zeitung "Die Presse" am Rande des Treffens sagte. Moral halte die Demokratie zusammen. Triumphiere Korruption, würden gute Demokratien oder auch Gesellschaften schnell zu schlechten, so Sanchez.
In Sachen staatlicher Korruption gehe es insbesondere um Regierungen, die mit kriminellen Strukturen wie etwa der Mafia kollaborieren oder sie tolerieren. Auf der anderen Seite seien etwa auch Steueroasen ein Thema. "Das ist Geld, für das keine Steuern bezahlt werden", sagte der Kurienbischof der "Presse": "Das dient nur dem Interesse Einzelner."
Die Initiative "Ethics in Action" wurde 2016 unter dem Eindruck der im Jahr davor veröffentlichten päpstlichen Umwelt- und Sozialenzyklika "Laudato si" gestartet. Papst Franziskus hatte darin dazu aufgerufen, "die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen".
Quelle: kathpress