Papst schreibt Brandbrief zu Missbrauchsfällen in der Kirche
Papst Franziskus hat schwere Schuld der katholischen Kirche in der Frage des Missbrauchs durch Ordensleute und Priester eingeräumt.
Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten.
So Franziskus in einem mehrseitigen Brief "an das Volk Gottes", den der Vatikan am Montag veröffentlichte. In dem knapp vierseitigen Schreiben kritisiert der Papst scharf den "Klerikalismus" in der Kirche und fordert alle Katholiken auf, sich gegen seine solche Kultur zu engagieren.
Die Wunden der Missbrauchsopfer "verjähren nie", heißt es in dem Schreiben laut der vom Vatikan verbreiteten offiziellen deutschsprachigen Übersetzung:
Der Schmerz dieser Opfer ist eine Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt, die aber für lange Zeit nicht beachtet, versteckt und zum Schweigen gebracht wurde.
Der Schrei der Opfer aber sei stärker gewesen "als die Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschweigen", oder die meinten, das Leid mit Entscheidungen zu kurieren, die letztlich alles nur schlimmer gemacht hätten.
Mit seinem Brief reagiert Franziskus unmittelbar auf den jüngsten Bericht einer Grand Jury im US-Bundesstaat Pennsylvania zu Missbrauchsfällen in der Kirche und deren Vertuschung in den vergangenen Jahrzehnten, weiters auf die Entwicklung in Chile sowie anhaltende Diskussionen vor seinem Besuch in Irland am kommenden Wochenende.
Um Verzeihung zu bitten ist "nie genug"
Missbrauch sei "ein Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und der Ohnmacht erzeugt, besonders bei den Opfern, aber auch bei ihren Familienangehörigen und in der gesamten Gemeinschaft, seien es Gläubige oder Nicht-Gläubige", bekennt der Papst in dem Schreiben. Um Verzeihung zu bitten und den Schaden wiedergutzumachen sei in solchen Fällen "nie genug".
Die Kirche müsse dringend noch einmal ihre "Anstrengung verstärken, den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten", hob der Papst hervor. Insgesamt gelte es "eine Kultur ins Leben zu rufen", die dafür sorgt, "dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten".
In verschiedenen Weltregionen seien bereits Bemühungen gegen Missbrauch in der Kirche unternommen wurden, um die Unversehrtheit von Kindern, aber auch von Erwachsenen zu schützen. Dazu gehöre auch eine "Null-Toleranz-Haltung" und Maßnahmen, um "Rechenschaft zu fordern von allen, die diese Verbrechen begehen oder decken", schreibt Franziskus:
Wir haben diese so notwendigen Aktionen und Sanktionen mit Verspätung angewandt, aber ich bin zuversichtlich, dass sie dazu beitragen, eine bessere Kultur des Schutzes in der Gegenwart und in der Zukunft zu gewährleisten.
"Nein zu Klerikalismus"
Franziskus rief alle Glieder der Kirche zu Reue, Beichte, Fasten und Gebet auf. Es sei unmöglich, "sich eine Umkehr des kirchlichen Handelns vorzustellen ohne die aktive Teilnahme aller Glieder des Volks Gottes".
Als eine der Hauptursachen für den sexuellen sowie psychischen Missbrauch benennt der Papst "Klerikalismus" als falsches Verständnis von Autorität in der Kirche, die "sehr verbreitet" sei in Gemeinschaften, in denen sich sexueller Missbrauch und Macht- oder Gewissensmissbrauch ereignet hätten. "Klerikalismus, sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert", erzeuge "eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen", schreibt Franziskus:
Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen.
Das gesamte Volk Gottes müsse sich daran beteiligen, auf die Übel des Missbrauchs und der Vertuschung zu antworten. "Alles, was man unternimmt, um die Kultur des Missbrauchs aus unseren Gemeinschaften auszumerzen, ohne alle Glieder der Kirche aktiv daran teilhaben zu lassen", werde nicht die nötige Dynamik "für eine gesunde und wirksame Umgestaltung" erzeugen, warnt der Papst.
Quelle: kathpress