Experte: Gegen Missbrauch Gesetze und Mentalitätswandel nötig
Gegen den Missbrauch Minderjähriger in der Kirche braucht es nach den Worten des vatikanischen Kinderschutzexperten Hans Zollner nicht nur Gesetze, sondern auch einen grundlegenden Mentalitätswandel in der Kirche. Der Psychologe und Leiter des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana äußerte sich am Wochenende mit Blick auf den jüngsten US-Bericht in mehreren Interviews mit der italienischen Zeitung "La Stampa", dem Portal "Vatican News" und dem Kölner "domradio".
Zu lange habe es in der Kirche "eine Kultur der Vertuschung, der Negierung und des Schweigens" gegeben, so der deutsche Jesuit. Obschon es gemäß dem Auftrag Jesu zu den primären Aufgaben der Kirche gehöre, Kleine und Schwachen zu schützen, hätten Verantwortliche stattdessen die Täter gedeckt, sie versetzt. In den USA werde nun seit etwa 30 Jahren, in Deutschland seit acht Jahren offen über das Thema gesprochen.
Wie der jüngste Bericht aus Pennsylvania legten auch die übrigen vorliegenden Untersuchungen nahe, dass in den vergangenen sieben Jahrzehnten etwa vier bis sechs Prozent der Priester wegen des Missbrauchs Minderjähriger angezeigt oder verurteilt worden seien. All das müsse ans Licht kommen, denn nur auf diese Weise könne, wie der ehemalige Papst Benedikt XVI. (2005-2013) gesagt habe, "diese Plage geheilt werden".
Im Übrigen zeige der jüngste Bericht auch, dass seit 2002, als die US-Bischöfe präzise Verfahrensregeln beschlossen, die Zahl der Fälle drastisch gesunken sei. "Demnach hat es eine signifikante Veränderung bei dem Phänomen gegeben, die ergriffenen Maßnahmen funktionieren", so Zollner.
Für den weiterhin notwendigen Mentalitätswandel habe die Päpstliche Kinderschutzkommission inzwischen weltweit etwa 600 Schulungen organisiert, so Zollner. Gleichzeitig brauche es weitere, noch konkretere kirchenrechtliche Regelungen. Auch warnte der Psychologe davor, alles auf einmal lösen zu wollen und auf oberflächliche Aktionen zu setzen. Die Ausbildung neuer Priester, Ordensleute und die Auswahl kirchlichen Führungspersonals müsse langfristig ansetzen.
Im Gespräch mit dem Kölner "domradio", sagte der Experte bereits am vergangenen Freitag, dass sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz insgesamt der Umgang mit dem Thema Missbrauch in der Kirche deutlich verbessert habe. "Man weiß jetzt, wo man hingehen muss, auch als Betroffener. Man findet Ansprechpartner", so Zollner. Dies gelte auch für weitere Regionen weltweit:
Ich habe den Eindruck, dass die Bischöfe in einigen Ländern verstanden haben, dass man agieren und nicht nur reagieren muss.
"Im Großen und Ganzen" komme die Aufarbeitung etwa in Deutschland "durchaus voran", meinte der Jesuit: "Ich glaube aber auch, dass es in einigen Fällen tatsächlich so ist, dass weiterhin auch einiges auf die lange Bank geschoben wird oder dass man sich nicht wirklich mit den Dingen auseinandersetzt." Man tue nicht alles, "damit Menschen, die verletzt worden sind, auch Gerechtigkeit erfahren".
Quelle: kathpress