Sozialethiker Renoldner: Politik hat falsches Menschenbild
Heftige Kritik am derzeitigen politischen Mainstream in Österreich und darüber hinaus hat der Linzer Theologe Severin Renoldner geübt. Die aktuelle Regierungspolitik sei weder ökologisch nachhaltig, noch sozial oder am Gemeinwohl orientiert, so Renoldner in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung der Diözese Linz. Laut dem Theologen geht die Politik von einem negativen Menschenbild aus: "Die heutige Politik geht davon aus, dass die Menschen nur ausnützen wollen." Vor allem Asylwerbende würden in der öffentlichen Propaganda so dargestellt.
Die Kürzung von sozialen Leistungen richte sich dabei aber in hohem Maß auch gegen die eigene Bevölkerung. Sie betreffe besonders Mehrkindfamilien, Alleinerziehende oder von einem Unfall Betroffene, Arbeitslose und Mindestpensionistinnen. Renoldner:
Wer heute gesund ist und gut verdient, kann morgen schon einen Unfall haben, sich scheiden lassen oder die Arbeit verlieren. Dann betrifft es auch mich!
Ausländerfeindlichkeit zeige, "dass man das Grundvertrauen in den Menschen verliert", warnte der Theologe: "Fremdenhass oder Nationalismus in Europa ist nur die Oberfläche, dahinter steht Menschenverachtung. Sie schädigt Wirtschaft und Gerechtigkeit!" Renoldner ist Professor für Sozialehtik an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz.
Politik muss Solidarität erzeugen
Der aktuellen Entwicklung hielt der Theologe die Grundprinzipien der Katholischen Soziallehre entgegen:
Die katholische Sozialethik lehrt, dass es in der Politik darum geht, Solidarität zu erzeugen. Man muss Menschen ermutigen, gemeinschaftsfähig zu werden, eventuell auch, auf etwas verzichten oder teilen zu können.
In Österreich sei das historische Vorbild dafür die Sozialpartnerschaft. Diese nehme den Interessenskonflikt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Kenntnis, aber sie versuche, ihn im Sinne von "Leben und leben lassen" mittels Kompromissen zu lösen.
Heute werde die Sozialpartnerschaft - nicht zum ersten Mal - von der Regierung infrage gestellt, kritisierte der Linzer Sozialethiker. "Aber eigentlich bräuchten wir eine Sozialpartnerschaft, die die ökologische Frage miteinbezieht. Man müsste im Sinn von 'Laudato sì' die Sozialpartnerschaft auf Nachhaltigkeit ausdehnen."
Christen gefordert
Die Menschheit, "insbesondere die westliche Welt und allen voran die Christinnen und Christen", sei herausgefordert, "etwas zu tun, damit das Leben in der nächsten Generation auf der Erde möglich bleibt". Dazu müssten laut Renoldner zum einen Wirtschaft und Politik neu organisiert werden und es müsse zweitens weltweit zu einer sozialeren Verteilungspolitik kommen, "die die Voraussetzung dafür ist, dass Milliarden Menschen nachhaltig leben können". Der Papst betone, dass ausreichend Ressourcen auf der Welt für alle verfügbar wären, "wenn wir nachhaltig wirtschaften". Das verlangt einen radikalen Umbau der Wegwerfwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Renoldner:
Reiche Länder wie Österreich müssen Vorleistungen erbringen. Es wäre ungerecht, zu sagen: wir wollen Auto fahren, aber die Menschen in China oder Afrika dürfen das nicht, weil es ökologisch nicht verkraftbar wäre. Um überleben zu können, brauchen wir eine Neuentwicklung der Wirtschaft.
Quelle: kathpress