Caritas-Direktor: Sterben im Mittelmeer nicht hinnehmen
Europa ist am besten Weg, seine christlichen Grundwerte zu opfern und zu verrohen: Davor hat der Direktor der Caritas der Erzdiözese Salzburg, Johannes Dines, im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (SN, Samstag) gewarnt. Es sei ein "Armutszeugnis, dass jene bestraft werden, die helfen", so Dines über die laufenden Gerichtsprozesse gegen Seenotretter. Nicht hinzunehmen sei, "dass das Sterben plötzlich als normal empfunden wird".
Die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber Nöten anderer sei eine der größten Sünden, zitierte Dines einen Ausspruch von Papst Franziskus. Entgegengesetzt zur Klimaerwärmung werde eine Gesellschaft, die sich nicht mehr berühren lasse, "hart und kalt". Dies sei "nicht das Europa, in dem wir leben wollen", mahnte der Caritas-Direktor. Wo Hilfe notwendig sei, müsse man Solidarität zeigen und helfen- denn erst "das macht uns zu Menschen".
Auch in der Sprache zeige sich eine Fehlentwicklung: Menschen würden durch sie "zu Sachen gemacht", wenn man etwa bei Flüchtlingen stets von "Massen" spreche oder bei engagierten Menschen von "Naivlingen oder Sozialromantikern". Die negative Stimmung lasse die Schwächsten auf der Strecke bleiben und schade der Gesellschaft auch langfristig, mahnte Dines: "Wenn die Verrohung der Sprache zur Normalität wird, sinkt auch die Hemmschwelle im Umgang der Menschen miteinander. Man glaubt, es reicht, wenn Randgruppen der Gesellschaft zu Sündenböcken gemacht werden. Jetzt sind die Flüchtlinge schuld, vorher waren es die Bettler und davor die Obdachlosen."
Der ständige Fokus auf das Flüchtlingsthema verdecke die "eigentlichen Probleme" im Inland, denen sich die Gesellschaft stellen sollte, befand der Sozialexperte. Die gegenwärtigen Zustände - besonders hinsichtlich Digitalisierung, Globalisierung und Arbeitsmarkt, Klimawandel und ökologische Fragen, jedoch auch Bildung und steigende Wohnkosten - führten besonders Frauen und kinderreiche Familien in die Armut.
Solidarität sei jedoch auch mit Menschen in den Armutsregionen vonnöten, betonte Dines. Menschen in Subsahara-Afrika hätten angesichts der klimabedingten Ernteausfälle keine Perspektiven und damit "keinen Grund zu bleiben", sofern sich bestehende ungerechte Strukturen nicht veränderten.
Wenn Bauern in Afrika ihre Produkte wie etwa Tomaten nicht verkaufen können, weil die EU die eigenen Produkte so hoch subventioniert, entzieht man ihnen ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage.
Ähnlich wie Caritas-Präsident Michael Landau forderte auch Dines einen "Marshall-Plan für Afrika" zur Unterstützung der Entwicklung vor Ort. Europa schulde Afrika nach langer Ausbeutung und angesichts eines bis heute auf den Eigennutzen ausgerichteten Wirtschaftssystems "Verantwortung, um den eigenen Frieden zu erhalten", befand der Caritas-Direktor. "Diese Menschen haben keine Chance, selbst auf die Beine zu kommen. Wenn Menschen um ihr Überleben kämpfen oder keine Perspektive haben, dann werden sie nach Europa kommen." Als Gegenmaßnahme gelte es, sich für gerechtere Strukturen einzusetzen und sich von der Doktrin "immer mehr, immer höher, immer teurer" zu verabschieden.
Quelle: kathpress