Jägerstätter-Biografin listete alle NS-Opfer Oberösterreichs auf
Die Lebensgeschichten all jener Menschen, die in Oberösterreich vom Nationalsozialismus (1938-1945) verfolgt und ermordet wurden, rückt Erna Putz zum heurigen Gedenkjahr ins Zentrum: Die als Jägerstätter-Biografin bekanntgewordene Historikerin stellt bis 22. November bezirksweise die NS-Opfer vor, berichtet die Linzer Kirchenzeitung in der aktuellen Ausgabe. Die am 21. Mai in Bad Ischl (Bezirk Gmunden) gestartete Aktion wird demnächst am 13. August bei einer Gedenkfeier für die Bezirke Perg und Freistadt fortgesetzt, 13 weitere Termine stehen auf dem Programm.
Ausgangspunkt war ein von Putz initiierter Gottesdienst im Konzentrationslager Dachau am vergangenen 13. März, bei dem die Namen aller 900 Dachau-Häftlinge aus Oberösterreich verlesen wurden. Die Würdigung - die Namen wurden auch in einem Sonderdruck der Linzer Kirchenzeitung veröffentlicht - sei auf großes Echo gestoßen, weshalb sie das Projekt nun ausgeweitet habe, erklärte die Historikerin im Interview. Auf Basis einer Liste jener 7.000 Oberösterreicher, die nach dem Krieg beim Staat um Hilfe angesucht haben, und ergänzt um die Liste der Euthanasie-Opfer der Tötungsanstalt Hartheim und um bisher bekannte NS-Widerständler und Verfolgte, erarbeitete sie die bisher größte Zusammenschau von NS-Opfern des Bundeslandes, unterteilt in dessen 16 Bezirke.
Sie sei bei der Recherche auf "unglaublich viele unbekannte oder in Vergessenheit geratene Lebensgeschichten" gestoßen, berichtete Putz. Darunter war etwa Sr. M. Febronia Ahammer aus Altmünster, eine 1876 geborene Borromäerin, die im Mutterhaus ihres Ordens in Prag tätig war, wo sie wegen sogenannter "Tschechen- und Judenfreundlichkeit" von der Gestapo verhaftet wurde. Sie litt ein Jahr lang im Frauen-KZ Ravensbrück.
Weit bekannter ist die Biografie des 1996 seliggesprochenen Marianistenpaters Jakob Gapp, der am 13. August 1943 vom NS-Regime wegen "Landesverrats" in Berlin enthauptet wurde. Der 1897 im Tiroler Wattens geborene Ordensmann wirkte als junger Priester in Lanzenkirchen und Graz, wo er sich vor allem für die in sozialer Not lebenden "Ausgesteuerten" einsetzte. 1938 entzog ihm die NS-Schulbehörde die Lehrerlaubnis für den Religionsunterricht, ehe er nach einer deutlichen Predigt in Wattens im Jänner 1939 nach Frankreich und Spanien floh. Als jüdische Flüchtlinge getarnte Gestapo-Agenten entführten ihn ins besetzte Frankreich, ehe er bis zu seiner Hinrichtung neun Monate in Berlin inhaftiert war. Beim Ordens-Gedenken im Greisinghof (Tragwein) an P. Gapps Todestag wird Putz die 187 Namen der NS-Opfer aus den Bezirken Perg und Freistadt verlesen.
Ein weiterer Festakt im Rahmen der Bezirks-Gedenkfeiern findet am 11. September um 17 Uhr im Stift St. Florian statt. Dort steht die Exekutive im Mittelpunkt: Sie war bereits beim "Einmarsch" 1938 völlig von den Nationalsozialisten unterwandert, andererseits wurden laut Putz umgehend Gendarmen und Polizisten degradiert, mit Gehaltskürzungen bestraft, misshandelt, eingesperrt und ermordet. "Man darf sich hier nicht von Vorurteilen leiten lassen, sondern muss genau hinschauen", mahnte die Historikerin.
Die Feiern sollten den Menschen Anstöße zur Beschäftigung mit der Geschichte ihres Ortes in der NS-Zeit geben, so die Hoffnung von Erna Putz. "Auch nach fast acht Jahrzehnten ist den Angehörigen der Opfer eine Würdigung wichtig - denn sie ist oft heilsam." In ihrem Urteil über mangelnde und verspätete Geschichtsaufarbeitung sei sie selbst gespalten: "Natürlich wurde auf die damaligen Denunzianten und auf deren Kinder mehr Rücksicht genommen als auf die Opfer. Die Nationalsozialisten und die Täter waren auch nach dem Krieg stärker als die Opfer". Gleichzeitig wäre ohne Schlussstrich der Kreislauf von Hass und Hetze nie durchbrochen und ein Neuanfang im Miteinander nie möglich geworden. "Aber jetzt ist die Zeit, die Opfer zu würdigen. Dabei ist der Name ein wichtiger Teil."
Quelle: kathpress