Harrer: Religion in Nahost-Konflikt Verstärker aber keine Ursache
Der Religion kommt in den vielfältigen Konfliktlagen in Nahost eher die Rolle eines Konflikt- und Gewaltverstärkers zu als jene, Quellgrund der Konflikte selbst zu sein. Das hat die "Standard"-Journalistin und Nahost-Expertin Gudrun Harrer bei einem Vortrag am Freitag in Salzburg unterstrichen. Auch wenn im Hintergrund gerade der Konflikte zwischen Saudi-Arabien und dem Iran der alte Streit zwischen Sunniten und Schiiten stehe, so seien diese religiös imprägnierten Konflikte doch stets "in handfeste politische Konfliktlagen" eingebettet - etwa in die Frage, ob eine islamische Monarchie oder doch eher eine islamische Republik die angemessene Antwort islamischer Gesellschaften auf die Herausforderungen der Moderne sei.
Die westlichen Gesellschaften würden sich bei der Einschätzung der Konfliktlagen im Nahen Osten u.a. deshalb so schwer tun, weil sie die tiefen kulturellen und historischen Verwerfungen nicht kennen oder aber noch immer der Vorstellung anhängen, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft westlichen Zuschnitts gleichsam als "Exportprodukte" ohne weiteres auch in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens implementiert werden könnten. Der Südsudan, aber auch der Irak und Libyen sowie die Zustände dort hätten diese Vorstellung jedoch als ideologisch verblendet bloßgestellt. Bis heute würden diese Ländern, wo man mit viel Geld und strukturellen Hilfen ein 'Nation Building' versucht habe, im Chaos versinken.
Verblendet sei der westliche Blick auch auf den sogenannten "Arabischen Frühling" 2011 gewesen, so die Expertin weiter. Die Medien hätten damals vor allem das Bild einer aufbegehrenden und nach Freiheit verlangenden Jugend transportiert - dabei aber die handfesten sozioökonomischen Gründe der Revolte unterschlagen. "Es ging damals aber viel mehr um soziale Gerechtigkeit als um Freiheit", so der ernüchternde Befund Harrers.
Harrer referierte im Rahmen der "Salzburger Hochschulwochen", die heuer noch bis 5. August das Thema "Angst?" zum Gegenstand von Vorträgen und Diskussionen hat. Insgesamt versammelt die "smarte Sommerfrische" auch heuer wieder rund 800 Studierende und Interessierte aus dem gesamten deutschen Sprachraum in der Mozart-Stadt. (Infos: www.salzburger-hochschulwochen.at)
Quelle: kathpress