Joas: Kirche sollte beim Ringen um Zukunft von Soziologie lernen
Die Kirche täte gut daran, in der aktuellen Umbruchssituation und in ihrer "Suche nach einer neuen Sozialgestalt" auch auf Einsichten aus der Soziologie zurückzugreifen: das hat der Berliner Religionssoziologe und Sozialphilosoph Hans Joas bei einem Vortrag am Mittwochabend in Salzburg betont. So habe die Soziologie ausführlich zu Fragen des kirchlichen Universalismus, der Frage der verschiedenen Ausprägungen des Christentums (Denominationen), der Frage nach innerkirchlichen Bewegungen und Gruppen, der Rolle der Orden als Motoren kirchlicher Erneuerung und der Mystik als individualistische Ausprägung religiöser Erfahrung geforscht. Lernen könne man da etwa von den Einsichten Ernst Troeltschs (1865-1923) oder Max Webers (1864-1920) sowie von anderen "Klassikern" der Soziologie.
Joas äußerte sich im Rahmen der "Salzburger Hochschulwochen", mit deren "Theologischen Preis" er für sein Lebenswerk geehrt wurde. Die Laudatio auf Joas hielt am Mittwochabend der Koblenzer Philosoph Matthias Jung. Darin zeigte Jung auf, wie vielfältig auch das Werk Joas' die Theologie befruchten könne - etwa im Blick auf Joas' Forschungen zur Entstehung der Werte oder zur Rolle der Erfahrung für die Wertentwicklung.
Joas selbst ging auf diesen Punkt der Wertentwicklung und Wertbindung in seinen Dankesworten mit dem Hinweis ein, dass es nicht die Intention des Christentums sei, einfach Ideale zu postulieren, sondern diese Ideale und Werte als "Resultate des Versuchs von Gläubigen verstanden werden muss, genau diese Werte gegen die Welt zu bewahren, die die Verwirklichung verunmöglichen möchte". Werte und Ideale seien insofern nie frei schwebend, sondern stets rückgekoppelt an Erfahrungen und Resultat der je individuellen Aneignung. Der Kirche als Institution komme entsprechend bei der Bewahrung dieser Werte und Ideale eine hohe Bedeutung zu, die jedoch nie über die persönliche Aneigung und auch Weiterentwicklung durch den konkreten Menschen hinwegsehen könne.
Die "Salzburger Hochschulwochen" stehen heuer unter dem Thema "Angst?" Noch bis Sonntag referieren und debattieren hochkarätige Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und rund 800 Teilnehmer in der Mozart-Stadt über die Quellen und Strategien gegen die Angst. Den Abschluss bildet am Sonntag, 5. August, ein akademischer Festakt mit einem Festvortrag des Hamburger "Zeit"-Journalisten Bernd Ulrich (Infos: www.salzburger-hochschulwochen.at).
Quelle: kathpress