Fairere Handelsbeziehungen: Landau fordert EU-Afrika-Kommissar
Angesichts der Tatsache, dass immer noch 815 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden, hat Caritas-Präsident Michael Landau mit dem Fokus auf Afrika die internationale Handelspolitik kritisiert und einen "Marshall-Plan" für den südlichen Nachbarkontinent Europas gefordert. In diesem Sinne wäre auch die Schaffung eines EU-Afrika-Kommissars eine sinnvolle Sache, so Landau im "Kurier"-Interview (Donnerstag). Die Bundesregierung sollte sich im Rahmen des derzeitigen EU-Ratsvorsitzes dafür einsetzen, forderte Landau, der sich zugleich mit der faktischen Entwicklungshilfepolitik der Regierung sehr unzufrieden zeigte.
Es ist seitens der Regierung immer wieder unter dem Stichwort 'Hilfe vor Ort' angekündigt worden, die Mittel zu erhöhen, aber es ist nichts geschehen. Die Hilfe wurde gekürzt statt verstärkt.
So Caritas-Präsident Landau. Das Doppelbudget Österreichs sehe vor, dass der Auslandskatastrophenfonds nicht wie im Regierungsprogramm angekündigt erhöht, sondern von 20 auf 15 Millionen Euro gekürzt wird. Auch die von Kurz noch als Außenminister angekündigte Verdoppelung des Budgets für Entwicklungshilfe bis 2021 finde scheinbar nicht statt. Demnach solle die Entwicklungshilfe ab 2019 um 10 Millionen Euro mehr (und damit 103 Millionen Euro) betragen.
Österreich müsste aber vielmehr die Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und jene für den Auslandskatastrophenfonds substanziell aufzustocken, forderte Landau:
Im Vergleich zu ebenfalls kleinen Ländern wie Schweden, Luxemburg, Norwegen oder der Schweiz sind wir betreffend Auslandshilfe noch nicht in der richtigen Liga.
Er wolle die Bundesregierung zudem sehr dringlich erinnern: "Wer eine Route schließt, der hat noch keine Fluchtursache bekämpft. Die Probleme Afrikas sind unsere." Landau zitierte Hugo Portisch: "Um Europa zu retten, müssen wir Afrika retten." Nur durch Stabilität in Afrika werde eine langfristige Lösung der Migrationsfrage möglich sein. Landau:
Die Zeit drängt und wird durch Zuwarten nicht besser, denn: Solange Krieg herrscht, der Klimawandel voranschreitet, Hunger besteht und mit Waffenhandel viel Geld verdient wird, wird es Migration geben.
Eindringlich mahnte Landau fairere Handelsbeziehungen ein: "Es geht darum, dass afrikanische Märkte nicht von subventionierter Tiefkühlware überschwemmt werden." Afrika könnte sich selbst ernähren. Stattdessen gebe der Kontinent jährlich 36 Milliarden US-Dollar für den Import von Lebensmitteln aus, weil die heimischen Märkte von ausländischer Billigwaren geflutet werden. Zudem würden große Konzerne Land zur Agrartreibstoffgewinnung statt für Nahrungsmittel pachten. Oder sie verteilten zunächst gratis Saatgut, um hernach dort Kunstdünger zu verkaufen, kritisierte der Caritas-Präsident:
In einer Welt, die genügend Lebensmittel für alle produziert, sollte niemand mehr hungern müssen.
Partnerschaft von Afrika und Europa
Die Bezeichnung "Marshall-Plan" sei als Chiffre zu verstehen für ein partnerschaftliches Handeln, von dem alle profitieren, wenn sie es gut machen. Landau:
Wir brauchen einen Marshall-Plan mit Afrika. So, wie die USA einst Europa geholfen haben, die Folgen des Krieges, Hungers und Niedergangs zu bewältigen. Heute ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert, die Länder Afrikas zu unterstützen.
Eine Partnerschaft von Afrika und Europa könnte eine Win-win-Situation für alle sein. Landau: "Wenn wir das gut machen, dann sind das unsere Wirtschaftspartner von morgen." Aus Sicht der Caritas sollte ein solcher Marshall-Plan vier Säulen beinhalten. "Erstens geht es um Frieden und Rechtsstaatlichkeit, in einzelnen Ländern um Korruptionsbekämpfung." Die zweite Säule betreffe Investitionen in Bildung und kleinbäuerliche Landwirtschaft. "Letzteres deshalb, weil 70 Prozent der Menschen in Afrika in ländlichen Regionen leben und die kleinbäuerliche Landwirtschaft ein Schlüssel für die Welternährung ist." Drittens gehe es um Partnerschaften in Wirtschaft und Handel - "auch, um viertens ein Sozialsystem aufbauen und die schlimmste Armut abfedern zu können".
Erst vor einigen Tagen hatte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller die Schaffung eines EU-Afrika-Kommissars angeregt. Gerade im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft könnte Österreich diese Idee aufgreifen, so der Caritas-Präsident: "Es geht darum, die Hilfe für Afrika auf die Agenda zu bringen."
Die Caritas hat den ganzen Sommer über wieder ihre traditionelle Hungerhilfe-Kampagne laufen. Heuer sollen insgesamt 150.000 Kinder vor dem Hungertod gerettet werden. Der Schwerpunkt dieser Kampagne liegt traditionell auf Afrika.
Quelle: kathpress