"Ein Glücksfall für die Wissenschaft": Alttestamentler Lohfink 90
Der deutsche Bibelwissenschaftler Prof. Norbert Lohfink vollendet am 28. Juli sein 90. Lebensjahr. Lohfink, 1928 in Frankfurt am Main geboren, gehört dem Jesuitenorden an und lehrte bis zu seiner Emeritierung 1996 Exegese des Alten Testamentes an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Darüber hinaus lehrte er am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom. Geehrt wird Lohfink u.a. mit einer eigenen Festveranstaltung am Samstag, 28. Juli, an der Hochschule Sankt Georgen, bei der der Wiener Alttestamentler Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger die Laudatio halten wird. Lohfink ist u.a. Ehrendoktor der Universität Wien.
Lohfink sei ein "Glücksfall für die Alttestamentliche Bibelwissenschaft", unterstrich Schwienhorst-Schönberger in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress". Sowohl seine fachliche Kompetenz als auch seine persönliche Glaubwürdigkeit seien über die Grenzen seines Faches hinaus anerkannt - und "mit seinen mutigen Theorien" habe er "Generationen von Bibelwissenschaftlern inspiriert" und geprägt, so Schwienhorst-Schönberger. Zugleich sei Lohfink ein "begnadeter Kommunikator", der in gewisser Weise "öffentliche Theologie" betrieben habe, wenn er betont, dass das reguläre Kontrollinstrument der Theologie "die öffentliche wissenschaftliche Diskussion" sei; das kirchliche Lehramt dürfe nur im äußersten Notfall eingreifen.
Als prinzipieller Förderer der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) Fahrt aufnehmenden historisch-kritischen Bibelwissenschaft habe Lohfink jedoch immer vor überzogenen Erwartungen gewarnt, so Schwienhorst-Schönberger weiter:
Er hält die Methode für notwendig, hat aber nie den hermeneutisch naiven Optimismus jener geteilt, die meinten, mit dieser Methode die Bibelwissenschaft auf eine völlig neue Grundlage stellen zu müssen.
Schließlich kannte auch die traditionelle Schriftauslegung die Frage nach der historischen Wahrheit und den historischen Bedingungen ihrer Entstehung.
Auch die geistliche Auslegung dürfe nach Lohfink - selber nicht nur Ordensmann, sondern Priester - nicht konträr zur historisch-kritischen Auslegung in Stellung gebracht werden. So sei Lohfink bereits vor über einem halben Jahrhundert zu einem Wegbereiter jener Auslegungsform geworden, die heute unter dem Namen "kanonische Schriftauslegung" firmiert, wie Schwienhorst-Schönberger unterstreicht.
Aktuell sei Lohfinks Zugang im übrigen auch im Blick auf die aktuelle Debatte um den jüngsten Text des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum jüdisch-christlichen Dialog, so der Wiener Alttestamentler weiter. Lohfink habe bereits in den 1980er Jahren über die von Papst Johannes Paul II. geprägte Formel vom niemals gekündigten Alten Bund auf exegetischer Grundlage nachgedacht. Lohfink, der sich stark im jüdisch-christlichen Dialog engagierte, habe immer klar ausgesprochen, dass judenkritische Aussagen im Neuen Testament, insbesondere im Johannesevangelium, nicht unter den Teppich gekehrt werden dürften:
Alle Versuche, Probleme zu verschleiern, rhetorisch zu überspielen oder auszublenden, sind ihm fremd.
So habe Lohfink bereits früh für einen christlichen "Tractatus de Iudaeis" (Trakat über die Juden) plädiert. Er hatte dabei keine Angst, "dass dies zu einer neuen Gefährdung unseres Verhältnisses zu den Juden führen müsste. Vielleicht wird einiges schwieriger und komplizierter, als wenn man sich auf der rein menschlichen Ebene der Toleranz oder der subjektiv-christlichen Ebene des Wohlwollens gegenüber Menschen, die einen Teil der Schrift mit uns gemeinsam haben, bewegte", schrieb Lohfink bereits 1967 in seinem Buch "Bibelauslegung im Wandel".
Quelle: kathpress