Erwachsene planen Spielräume oft an Kinderbedürfnissen vorbei
Wenn Erwachsene Räume planen, die Kindern als Spiel- und Wohlfühlorte dienen sollen, gehen sie oft über deren Bedürfnisse hinweg. Zu diesem Befund kamen am dritten Tag der Internationalen Pädagogischen Werktagung an der Uni Salzburg zwei Fachleute aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Die deutsche Erziehungswissenschaftlerin Kornelia Schneider und der Gartenplaner Herbert Österreicher plädierten am Mittwoch beide für einen Perspektivenwechsel, um Kindern adäquater gestaltete Räume - Kinderbetreuungseinrichtungen, Freigelände, Spielplätze - zu bieten, hieß es in einer Zusammenfassung des veranstaltenden Katholischen Bildungswerks. Das diesjährige Tagungsthema lautet: "LEBENSRÄUME entdecken.gestalten.teilen".
Raumerfahrung finde selten bewusst statt, vielmehr wirken Räume auf unterschiedlichen Ebenen auf Menschen ein, so Kornelia Schneider. Besonders in den ersten Lebensjahren bildeten sie aber den Rahmen, in dem Kinder durch Wahrnehmung, Bewegung und Handlung die Grundlage des Denkens entwickeln können. Dass das Leben von Kindern weitestgehend speziellen Orten wie Kinderbetreuungseinrichtungen oder Spielplätzen zugewiesen wird, sieht die Pädagogin kritisch. Kinder würden aus dem öffentlichen Raum verdrängt und müssten in geschlossenen Arealen in meist zu eng bemessenen Räumen ihre Umwelt erfahren. Dem Drang, die Welt zu erforschen, sich frei bewegen zu können, aber auch geheime Rückzugsorte zu finden, werde nur unzureichend entsprochen. Zudem würden Kindern nur selten Freiräume zugebilligt, um selbstbestimmtes Handeln zu erproben: "Kinder machen heute kaum Raumerfahrungen ohne Begleitung durch Erwachsene."
Schneider ist sich der Verantwortung bewusst, die Eltern und Betreuende für die Sicherheit von Kindern tragen. Allerdings sei es ebenso wichtig, Kindern den Umgang mit Risiken und Grenzen beizubringen:
Wenn wir Kinder immer hindern, eigene Erfahrungen zu machen, bremsen wir sie aus und behindern sie in ihrer Entwicklung.
Die Expertin ermunterte Erwachsene, Raumerfahrung als Bildungspotenzial wahrzunehmen und Kindern Gelegenheiten zu bieten, Räume möglichst selbstständig zu erproben, zu erforschen und zu "erspielen".
Kinder brauchen ein "Arbeitsgelände"
Herbert Österreicher plant und gestaltet Außenanlagen von Kindertageseinrichtungen und versucht dabei Bereiche zu schaffen, wo Kinder selbst tätig werden können und ein "Arbeitsgelände" für ihre Zwecke vorfinden. Er spricht dabei nicht von "Gärten", denn dieser Begriff erzeuge bei Erwachsenen - wie er darlegte - ein inneres Bild, das wenig mit den Orten zu tun habe, die für Kinder spannend und interessant sind. Was für ordnungsliebende Erwachsene mitunter schmutzig, verwahrlost und gefährlich wirkt, ist für Kinder eine "Werkstätte", in der sie hingebungsvoll und mit viel Kreativität bauen und forschen können.
Diese Bereiche sollten auch nicht ständig "weggeordnet" werden, da Kinder oft mehrere Tage an einem Projekt arbeiten. Zur Verfügung gestellte Hölzer, Steine, Kunststoffrohre, Schläuche u.ä. geben Kindern die Möglichkeit, ihren Raum nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Wenn es aufgrund der strengen Strukturierung und Organisation unserer Lebenswelt schon notwendig sei, abgegrenzte Bereiche für Kinder zu errichten, dann müssten Außenbereiche so gestaltet werden, dass Kinder den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen. Auch konventionelle Spielgeräte haben laut Österreicher ihre Berechtigung, sollten aber nicht die Vorherrschaft auf einer Freianlage für Kinder übernehmen:
Klassische Klettergerüste, Rutschen und Sandkästen haben meist nur kurzfristigen Spielwert für Kinder und sind zudem monofunktional, teuer und raumgreifend.
Auch im Außenbereich treffen die Interessen von Kindern auf berechtigte Sorgen von Eltern und Trägerinstitutionen. Hier bedarf es eines sorgfältigen Abwägens potenzieller Risiken, um eine tragbare Balance für alle Beteiligten zu finden.
Weitere Vorträge zum Thema "Lebensräume" finden bis einschließlich Freitag in der Großen Universitätsaula (Max-Reinhardt-Platz, Salzburg) statt. Der breit gefächerte Zugang reicht von psychologischen zu architektonischen, von spirituellen zu medizinischen Herangehensweisen. Die vom Katholischen Bildungswerk Salzburg in Kooperation mit der Caritas Österreich und der Universität Salzburg veranstaltete Werktagung zählt zu den wichtigsten Pädagogik-Fachtagungen im deutschsprachigen Raum. (Info: www.bildungskirche.at/Werktagung)
Quelle: kathpress