Lebensräume mit demokratischer Kultur füllen
Gutes Zusammenleben erfordert gemeinsam gestaltete Räume, in denen sich Menschen begegnen, auf einen Dialog einlassen, Argumente austauschen, andere Meinungen zulassen und tragfähige Lösungen finden - kurzum: demokratische Kultur pflegen. Das hat die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle als Eröffnungsrednerin der diesjährigen Internationalen Pädagogischen Werktagung am Montagabend in Salzburg betont. Das Thema der bereits 67. Auflage der fünftägigen, vom Katholischen Bildungswerk Salzburg in Kooperation mit der Caritas Österreich und der Universität Salzburg veranstalteten Tagung lautet: "Lebensräume entdecken.gestalten.teilen". Zur Eröffnung kamen u.a. der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Caritas-Präsident Michael Landau.
Entsprechende Räume bzw. Rahmenbedingungen gelte es von der Politik einzufordern, "wir müssen sie aber selbst mit Leben und Demokratie füllen", betonte Stainer-Hämmerle. Und das betreffe alle Gesellschaftsräume wie Schule, Beruf, persönliche Begegnung, nämlich im Bewusstsein: "Politik kann nicht abgeschafft werden, Demokratie aber sehr wohl". Den Bürgern werde dabei Verantwortung, Vertrauen, Kooperation und die Bereitschaft zu teilen abverlangt, so die an der Fachhochschule Kärnten lehrende Politikwissenschaftlerin. Die Politik, die sowohl den öffentlichen Raum als auch das persönliche Lebensumfeld gestaltet, müsse Partizipation zulassen und mit den Bürgern kommunizieren, um deren Mündigkeit zu fördern.
Stainer-Hämmerle stellte vor dem Hintergrund der laufenden Fußball-Weltmeisterschaft Vergleiche mit der Welt des Sport an, wo es klare Regeln gebe, eine definierte Spieldauer, Gewinner und Verlierer und trotzdem ein partnerschaftliches Shakehands im Anschluss an einen Wettkampf. Die Welt abseits des Fußballrasens sei allerdings gekennzeichnet durch sich stark verändernde Bedingungen, wenig Vorhersehbarkeit und komplexe Zusammenhänge, die das Leben heute undurchschaubarer machen. Unsicherheit wiederum führe zu Vertrauensverlust in die Politik und fördere autokratische Tendenzen in einer Gesellschaft, sagte Stainer-Hämmerle.
Widerstand gegen "Ellbogenräume"
Ist die Welt nicht bereits ein globales Dorf geworden und der Plural "Lebensräume" im Tagungstitel daher obsolet? Diese Frage warf Erzbischof Lackner in seinem Grußwort zur Tagungseröffnung auf. Bei näherer Betrachtung würden sich aber doch vielfältige Lebensräume ergeben: in der Natur, in Kirche oder Gesellschaft, befürwortete Lackner Vielfalt und Mannigfaltigkeit. Im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft gilt es nach den Worten des Erzbischofs allerdings wachsam zu sein, dass Lebensräume nicht zu "Ellbogenräumen" verkommen und Menschlichkeit zu kurz kommt: "Dieser Tendenz gilt es vehement zu wehren."
Landeshauptmann Haslauer erweiterte den Raumbegriff um digitale Räume, die die Gesellschaft fundamental veränderten. Wissen sei längst keine Einbahnstraße mehr in Form von Brockhaus-gefüllten Bücherregalen, sondern mittlerweile quasi "demokratisch" geworden. Die neuen technischen Möglichkeiten bieten laut Haslauer zwar auch neue Chancen, zugleich würden Google, Facebook und Co. jedoch Zeit und Engagement an anderer Stelle abziehen - etwa beim Ehrenamt oder bei kreativen Tätigkeiten. Was das etwa für das selbstständige Lernen bedeutet, müsse die Bildungspolitik sorgsam bedenken, meinte der Salzburger Landes-Chef.
Räume in unterschiedlichsten Ausprägungen und deren Bedeutung für die Erziehung stehen noch bis Freitag im Mittelpunkt der Pädagogischen Werktagung, die mit alljährlich mehr als 600 Teilnehmern zu den wichtigsten Pädagogik-Fachtagungen im deutschsprachigen Raum zählt. Bei den Vorträgen jeweils am Vormittag in der Großen Universitätsaula der Universität Salzburg werden laut dem Werktagungs-Präsidenten, dem Salzburger Religionspädagogen Anton Bucher, Fragen aufgegriffen werden wie: "In welchen Räumen wachsen Kinder heute auf? Wie gehen wir mit digitalen Räumen um? Welche Räume tun uns Menschen gut? Wie steht es um innere Räume, um Imaginationen und Fantasie?" Für breit gefächerte Zugänge sollen Fachleute aus Psychologie, Architektur, Medizin und auch Theologie sorgen. (Info: www.bildungskirche.at/Werktagung)
Quelle: kathpress