Moraltheologe: Tierschutz ist christliche Verantwortung
Aus einer biblisch begründeten christlichen Verantwortung heraus ist die Kirche verpflichtet, für einen "verantwortungsbewussten Konsum tierischer Produkte" einzutreten und hier eine Vorreiterrolle einzunehmen: Diese Ansicht vertritt der Südtiroler Moraltheologe Martin Lintner in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Die Bibel spreche von einer Schicksalsgemeinschaft zwischen Mensch und Tier und letztere würden auch "heilsgeschichtlich ins Gewicht fallen", so der Experte.
Tierethik sei hochaktuell und mit Papst Franziskus, der in der Umweltenzyklika "Laudato si" vom "Eigenwert" jedes Lebewesens spreche, auch Thema und Anliegen der Kirche geworden. Laut Lintner "endlich" - denn die christlich-abendländische Tradition sei von einer verhängnisvollen, vordergründig philosophisch bedingten Tiervergessenheit geprägt, die zwischen den nicht vernunftbegabten Tieren und dem Menschen als "animal rationale" einen tiefen Graben aufgeworfen habe, der so in der Bibel nicht zu finden sei. Die Bibel beschreibe Tiere viel mehr als Bundespartner Gottes, für die auch die Sabbatruhe gelte; auch Paulus spreche von einer Hoffnung auf Erlösung, die die gesamte außermenschliche Schöpfung miteinschließe.
So wäre es ein "starkes, aber überfälliges Signal", wenn kirchliche Bildungshäuser, Klöster, Pfarrhöfe oder Pfarrgemeinden konsequent beginnen würden, auf die Herkunft von Fleisch, Eiern oder Milch zu achten: "Sie sollen ausschließlich von ökologisch und tierethisch qualifizierten Bauernhöfen und nach Möglichkeit aus der eigenen Region stammen, um Lebendtransporte von Tieren beziehungsweise weite Transportwege der Waren zu vermeiden. Das sollte ebenso selbstverständlich werden wie etwa die Mülltrennung", so der Moraltheologe.
Für "unumgänglich" hält Lintner eine "merkliche Reduzierung" des Fleischkonsums und ein Umdenken in der Gesellschaft. Er schlägt vor, vegetarische Gerichte als die "normalen" und jene mit Fleisch als "Sonderwunsch" zu kennzeichnen, um einen Bewusstseinswandel zu fördern. Höhere Preise von Bio-Produkten wertet er nicht als zu teuer, sondern Produkte aus der konventionellen Landwirtschaft seien zu billig, "weil die Kosten für die negativen Auswirkungen auf ökologischer, gesundheitlicher und sozialer Ebene nicht verrechnet werden". Bauern, die nach hohen ökologischen und tierethischen Kriterien wirtschaften, hätten ein Anrecht darauf, für ihre Produkte und dafür, was sie für das Tierwohl tun, angemessen entlohnt zu werden.
Der Moraltheologe spricht von einer "Dringlichkeit", den Umgang mit Tieren zu ändern und ihnen gerecht zu werden, indem ihre artspezifischen sowie individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten respektiert werden. Tiere dürften nicht bloß auf ihren Nutz- oder ästhetischen Wert oder auf ihre ökologische Funktion reduziert werden. Im jeweiligen Kontext bleibe abzuwägen, wie viel aktiv zu tun sei, um Tieren zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu verhelfen. Dass der Mensch die Natur als Lebensraum mittlerweile "derart für seine eigenen Interessen in Beschlag genommen hat", dass die Rückkehr von ausgerotteten Spezies wie Wolf, Luchs oder Biber mancherorts kategorisch abgelehnt werde, sei "höchst problematisch".
Quelle: kathpress