Deutscher Ökumenebischof und Wiener Theologe kritisieren Vatikan
In einem am Mittwoch veröffentlichten "Nachruf auf eine unsägliche Entwicklung" hat der Ökumenebischof der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Gerhard Feige, den Vatikan kritisiert. Es sei "völlig unverständlich", wie sich Rom im deutschen "Kommunionstreit" verhalten habe. Den Gegnern der von der DBK geplanten, jedoch am Montag vom vatikanischen Glaubenspräfekten Erzbischof Luis Ladaria Ferrer per Brief gestoppten pastoralen Handreichung warf Feige "Doppelmoral" vor.
Es würden "höchste Ansprüche für einen Kommunionempfang" erhoben und sogar dessen Unmöglichkeit behauptet, zugleich aber "unzählige Ausnahmen" erkannt und ohne weiteres toleriert. Der Magdeburger Bischof bezog sich direkt auf die Äußerung des Kölner Erzbischofs Kardinal Rainer Maria Woelki.
Dieser hatte am Wochenende erklärt, dass evangelische Ehepartner von Katholiken in Ausnahmefällen die Kommunion erhalten könnten, wobei diese Frage allerdings ausschließlich in den Raum der persönlichen Seelsorge, der geistlichen Begleitung und der individuellen Gewissensentscheidung der Gläubigen gehöre. Pastoral begründete Ausnahmeregelungen dürften jedoch nicht als neue Normen festgeschrieben werden, hatte Woelki erklärt. Entsprechend "einer ungeschriebenen Regel der katholischen Kirche" weise er Betroffene an der Kommunionbank aber nicht zurück.
Feige plädierte im "Nachruf" von Mittwoch dafür, nichtkatholischen Ehepartnern offiziell zu erlauben, "im Einzelfall unter besonderen Umständen nach geistlicher Beratung und individueller Gewissensentscheidung die Kommunion zu empfangen". Mit dieser pastoralen Praxis könne selbst Kardinal Woelki leben, "kämpft aber - für mich nicht nachvollziehbar - dagegen, diese Möglichkeit ins Wort zu heben", so der Vorsitzende der DBK-Ökumenekommission.
Er kritisierte überdies die Haltungsänderung an der Kirchenspitze seit 3. Mai. Beim Gespräch im Vatikan an diesem Tag habe es geheißen, die deutschen Bischöfe sollten in der Kommunionfrage eine "möglichst einmütige" Regelung finden. Einen Monat später sei dieser Auftrag "offensichtlich durch Papst Franziskus selbst" wieder rückgängig gemacht worden. "Die Enttäuschung ist bei vielen groß, der Schaden noch nicht abzusehen", so Feige.
"Opfer" seien vor allem die betroffenen konfessionsverbindenden Ehen und Familien, betonte der Bischof weiter:
Ihnen gilt meine besondere Verbundenheit: Lassen Sie sich nicht entmutigen, bewahren Sie sich Ihre Liebe und Treue, vertrauen Sie der Barmherzigkeit Gottes, und gehen Sie den Weg, den Christus Ihnen weist.
Körtner: "Gesichtsverlust für Marx"
Papst Franziskus sei "eben doch nicht so progressiv, wie viele glauben", kommentierte der Wiener evangelische Theologe Ulrich Körtner am Mittwoch gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Causa. Körtner forderte nach der Entscheidung des Vatikan gegen die Handreichung zum Kommunionempfang evangelischer Ehepartner mehr Realitätssinn in der Ökumene. Im Jahr des Reformationsjubiläum habe daran "offenkundig mancherorts gemangelt".
Franziskus habe zunächst selbst dazu beigetragen, dass "die römische Zentralmacht in Frage gestellt wird". Nun ziehe er "die Reißleine und genauso wie seine Vorgänger eine rote Linie, wenn es in lehramtlichen Fragen ans Eingemachte geht". So kehre vielleicht jetzt "nach der anfänglichen Franziskus-Begeisterung, die es auch unter evangelischen Christen gab, endlich wieder die Nüchternheit ein, welche die Ökumene braucht", meinte Körtner.
Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums 2017 seien in Deutschland und weltweit hohe ökumenische Erwartungen geweckt worden, sagte der an der Universität Wien lehrende Theologe:
Viele Hoffnungen richteten sich auch auf Papst Franziskus. Nun hat er den hoch gespannten Erwartungen innerhalb weniger Tage gleich mehrere gehörige Dämpfer versetzt.
Auch bei der Audienz mit deutschen Vertretern des Lutherischen Weltbundes am Montag habe der Papst "auf die ökumenische Bremse" getreten.
Roms Entscheidung in der Kommunionfrage bedeute nicht nur für DBK-Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx einen "Gesichtsverlust", so Körtner. Sie sei auch "peinlich" für die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die ganz auf den Münchner Erzbischof gesetzt habe.
Quelle: kathpress