Zulehner zu 70 Jahren KMBÖ: Männer brauchen Entängstigung
Seit dem Beginn des dritten Jahrtausends ist es durch eine Zunahme von Ängsten und auch Autoritarismus in der Gesellschaft zu einer Stagnation bei der Entwicklung zum "neuen Mann" gekommen. Der Wiener Theologe und Werteforscher Paul Zulehner ortet eine wachsende Polarisierung, die sich wohl auch innerhalb der Katholischen Männerbewegung (KMB) beobachten lasse. Gegenzusteuern wäre diesem "Entwicklungsknick" mit der Förderung einer "Alternativkultur des Vertrauens" auf verschiedenen Ebenen, regte Zulehner vor rund 300 Zuhörern an: Er referierte am Samstag im Stift Lambach bei einer Festveranstaltung der Männerbewegung zu deren 70-Jahr-Jubiläum.
In seinen Ausführungen unter dem Titel "Zukunft der Kirche - Zukunft der Männer" blickte Zulehner auf mehrere Jahrzehnte Männerforschung - zum Teil von ihm selbst betriebene - zurück, um seine Thesen zu untermauern. 1992 habe es die erste, von der KMB gemeinsam mit der damaligen Familienministerin Maria Rauch-Kallat beauftragte Studie gegeben, die in der Folge alle zehn Jahre wiederholt wurde. Damals habe eine "Dekade der Zuversicht" begonnen, mit mehr "neuen" Väter, die sich in die Kindererziehung einbringen und nicht nur Familienernährer sein wollten. Diese Männer hätten dem Anspruch auf Partnerschaftlichkeit zu genügen gesucht, seien weniger autoritär und gewaltanfällig als frühere Generationen gewesen, informierte Zulehner.
Darauf sei jedoch eine "Dekade der Besorgnis" gefolgt, die mit Stagnation und oft auch Rückwärtsgewandtheit einherging: Die Männer hätten sich zunehmend überfordert gefühlt; fast drei Viertel hätten in Umfragen Beruf und Familie nur schwer vereinbar gesehen. Zugenommen habe die autoritäre Haltung "Recht hat, wer oben ist", zugleich sei männliche Gewalt zurückgekehrt - teilweise als "Hate Speech" im neuen Gewand der sozialen Medien gegen inkriminierte Gruppen wie Flüchtlinge, wies Zulehner hin. Populisten könnten vor diesem Hintergrund mit einer Politik der Grausamkeit punkten, nahm der Theologe Bezug auf jüngste Familientrennungen an der US-Grenze zu Mexiko.
"Weil ich ein Christ bin"
Hinter all diesen Entwicklungen stehen laut Zulehner wachsende Männerängste - biographische, soziale Abstiegsängste, kulturelle Überfremdungsängste und die Angst, im diesseitigen Leben zu kurz zu kommen. "Angst haben wir alle", räumte er ein, doch "in der Angst bestehen kann, wer vertrauen kann". Solche Männer zu fördern und zu formen sollte für die Katholische Männerbewegung die "Grundmelodie für die kommenden Jahre" sein, appellierte er an deren aus ganz Österreich angereisten Vertreter. Zulehner riet zu einem umfassenden, Vertrauen fördernden Bildungsansatz, der die Persönlichkeit ebenso stärke wie zu politischem Engagement ermutige.
Die KMB solle auch eintreten für eine Politik des Vertrauens mit Akzenten wie Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit in der Einen Welt, Frieden, Solidarität mit Benachteiligten - mit dem theologischen Hintergrund: "Weil nur ein Gott ist, ist jede und jeder einer von uns." Zulehner weiter: "Daher stehen wir für universelle Solidarität, die als Ziel keine Obergrenze kennt, auch wenn der Weg dorthin mit Augenmaß zu gehen ist."
Als Beispiel für so ein spirituelles und zugleich politisches Wirken in der Gesellschaft legte Zulehner der KMB eine Aussage einer in der Flüchtlingsarbeit engagierten Frau ans Herz.
Es ist nicht immer leicht mit den Schutzsuchenden, ihren Sitten und Gebräuchen, und auch mit deren Ängsten.
Habe sie ihm gesagt. Und weiter:
Aber gerade wenn es ganz schwer ist, fühle ich göttlichen Rückenwind.
Und auch ein Mann tauge bestens zum Vorbild: Klaus Gattringer, der Bürgermeister von Altenfelden, wo ein Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft stattfand, habe die Frage als "selbstverständlich" bejaht, ob das Quartier wieder aufgebaut werde. "Warum machen Sie das alles?", so die nächste Frage. Und die Antwort: "Weil ich ein Christ bin."
KMB-Obmann Steiner wiedergewählt
Vor dem Festvortrag wurde bei der Linzer Diözesankonferenz mit der Wiederwahl von DI Bernhard Steiner als KMB-Obmann und der Bestellung seines Team die Weichen für die Zukunft gestellt. Der 57-jährige Windischgarstner tritt damit seine zweite Amtsperiode an der Spitze der rund 13.500 Mitglieder starken oberösterreichischen Männerorganisation an.
Das Jubiläum mündete in einen Festakt mit zahlreichen Gästen aus Politik und Kirche. In den Grußworten des oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer machte dieser deutlich, dass sich die Politik eine engagierte KMB wünsche: Engagierte Männer, die christliche Werte nicht nur vor Ort leben sondern sich mit der Aktion "Sei so frei" in der Entwicklungszusammenarbeit solidarisch für die Ärmsten in der Welt einsetzen.
Zurück zum "Geburtsort" der Männerbewegung
Gegründet wurde die mit heute rund 30.000 Mitgliedern größte Männerorganisation Österreichs auf einer Tagung der Diözesanmännerwerke als "Katholisches Männerwerk Österreichs" am 13. Mai 1948 in Lambach (OÖ). Von Anfang an habe die KMB ihre Arbeit als "Beitrag zur aktiven Mitgestaltung von Gesellschaft und Kirche aus dem Geist des Evangeliums" verstanden, so KMBÖ-Vorsitzender Leopold Wimmer anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums statt.
Die Katholische Männerbewegung biete Männern Raum zur Begegnung sowie Unterstützung in verschiedensten Lebenssituationen an, so Wimmer weiter. Sie begleite Männer ganzheitlich, gebe regelmäßig Impulse zur Männerpastoral in Österreich und gestalte diese aktiv und gemeinsam mit Männern. In den vergangenen sieben Jahrzehnten hätten sich entsprechend den sich wandelnden Lebenssituationen der Männer immer wieder neue Herausforderungen gestellt. Die KMB werde auch in Zukunft all "das aufgreifen, was Männer bewegt", versicherte Wimmer.
Eckpfeiler des Engagements sind die Entwicklungszusammenarbeit mit der bundesweiten Spendenaktion "Sei so frei", die Durchsetzung von Menschenrechten mit dem Erzbischof-Romero-Preis und in den vergangenen Jahren die "Väterarbeit": Zuletzt war die KMB an der Gründung des Dachverbands Männerarbeit Österreichs (DMÖ) beteiligt. (Info: www.kmb.or.at)
Quelle: kathpress