Zulehner betont Rolle der Orden als Gegenkultur
Der Theologe Paul M. Zulehner hat bei einer Veranstaltung im Wiener Radiokulturhaus am Samstag auf die Notwendigkeit des Bauens einer "Gegenkultur" hingewiesen, wie sie von den Ordensgemeinschaften gelebt wird. Von diesem Wirken nähmen viele bewusst oder unbewusst etwas für ihr Leben mit, die mit Ordensvertretern auf Projekt- oder persönlicher Ebene in Kontakt gekommen seien.
Als Beispiele erwähnte Zulehner Ordensspitäler, die Zuwendung zu unheilbar Kranken, aber auch das Flüchtlingsengagement. Im Grunde liege der Auftrag darin, "Oasen der Kultur des Vertrauens" in einer von Ängsten beherrschten Gesellschaft zu schaffen.
Die Veranstaltung im Radiokulturhaus fand aus Anlass des 100. Todestags des Ordensgründers Pater Franziskus Jordan (1848-1918) statt. Auf den deutschen Priester gehen die Salvatorianer, die Salvatorianerinnen und die Gemeinschaft Salvatorianischer Laien zurück.
Salvatorianer-Provinzökonom P. Erhard Rauch und die frühere Provinzleiterin der Salvatorianerinnen in Österreich und Ungarn, Sr. Brigitte Thalhammer, begründeten bei dem Event am Samstag, warum trotz insgesamter Überalterung und Nachwuchsmangel der Orden das Ordensleben heute weiterhin Menschen anziehe.
Der Grazer Markenentwickler Franz Hirschmugl plädierte beim Salvatorianer-Nachmittag für eine stärkere Betonung eines Erfahrungs-Glaubens, vor allem beim Kontakt der Kirche mit der Jugend. Das Gebot laute hier: "Du sollst 'Glaube aus 2. Hand durch 'selbstgemachte Erfahrung' ersetzen". Die Kirche solle sich auch wesentlich stärker bemühen, die Sprache ihres Gegenübers zu sprechen.
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak hob hervor, dass die Gesellschaft immer stärker einem Sozialdarwinismus zusteuere. Dies zeigten Umfragen in Deutschland, denen zufolge eine zweistufige Sozialhilfe - für "Nützliche" und "weniger Nützliche" - von gut 50 Prozent befürwortet werde. Damit werde eine Herausforderung für die Kirche klar, die in Zukunft - wie in der Urkirche - Trägerin starker Solidaritätsnetzwerke sein solle.
Pater Rauch plädierte dafür, dass die Kirche an solche Orte gehen solle, an denen die engagierten Menschen sind - "das können Amnesty-Gruppen sein oder Trachtenvereine". Gerade die Pfarren seien hier gefordert. "In Wien ist jeden Tag so viel los, aber die Kirche ist dort nicht präsent", so Rauch.
Sr. Thalhammer sagte, als spät eingetretene Ordensfrau sei nicht das Berufswahl-Thema, sondern einzig die Glaubensüberzeugung für ihren Ordenseintritt verantwortlich gewesen. Sie erlebe, dass etwa in der Beratung und für Pflege von Krebserkrankten die Frage nach dem "Woher" und "Wohin" zentral sei. Es gebe neben der Pflege und Flüchtlingsbetreuung viele Felder, wo Ordensleute präsent sein sollten. Es gehe im Ordensleben immer darum, anderen "Hoffnung zu vermitteln", so Thalhammer.
Pionierarbeit in Seelsorge und Krankenpflege
Die von Pater Jordan gegründete Ordensgruppe leistete schon vor 100 Jahren in Wien Pionierarbeit in der Seelsorge und Krankenpflege. Im damals neu entstehenden Stadtteil Kaisermühlen übernahmen die Salvatorianer die Sselsorge. P. Theophilus Muth, der erste Pfarrverweser war seiner Zeit weit voraus. Seine "Schiffskirche" erregt weltweites Aufsehen, seine "Russenkirche" in den Slums der Mülldeponie Brettldorf zeigt ihn als Anwalt der Armen. In Favoriten wurde die große "Notkirche" gebaut (für 900 Personen), dazu noch ein Vereinsheim mit Theatersaal.
Im Jahr 1930 übernahmen die Salvatorianerinnen das Sanatorium Rosenthal in Hacking, eine ehemalige Nervenheilanstalt, um ein eigenes Krankenhaus zu betreiben. Nach einem nur fünfwöchigen Umbau konnte das St. Josef Krankenhaus 1930 durch den damaligen Bundespräsidenten Wilhelm Miklas feierlich offiziell eröffnet werden. Vor allem der große Um- und Neubau zwischen 1986 und 1994 macht das Spital zu einem modernen Haus, in dem doch eine persönliche Atmosphäre herrscht. Durch die Vorreiterrolle des St. Josef Krankenhauses wird in Österreich die "anonyme Geburt" gesetzlich erlaubt. Seit 2004 gehört das St. Josef Krankenhaus zur Vinzenzgruppe Wien.
Quelle: kathpress