Sportethiker: Religionsverbot bei Fußball-WM "problematisch"
Skeptisch hat sich der Grazer Theologe Leopold Neuhold zum Religionsverbot des Weltfußballverbandes FIFA für Spieler auf dem Feld geäußert. Er halte es für "problematisch, wenn man im Namen des Gottes Fußball andere Götter, andere Religionen ausschalten will", erklärte er im Interview mit der Kooperationsredaktion der Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe) anlässlich des WM-Auftakts am Donnerstag.
Schon lange war es der FIFA ein Dorn im Auge, dass Spieler öfters religiöse Botschaften unter den Trikots trugen und diese nach einem erzielten Tor zeigten. Es sei "überhaupt kein Problem, wenn ein Fußballer sich als religiös bekennt", so der Leiter des Instituts für Ethik und Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz. Dennoch dürfe ein Spieler die Religion nicht für den Fußball funktionalisieren; Fußball habe schließlich mit Religion direkt nichts zu tun, wiewohl viele Rituale rund um das runde Leder an Religiöses gemahnten.
Stärker noch ist laut dem Experten die Querverbindung zwischen Sport und Wirtschaft - wie Skandale um Korruption der FIFA etwa bei der Vergabe der Fußball-WM gezeigt hätten. Er halte es für "sehr bedenklich", wenn im Sport Wirtschaft an erster Stelle stehe und Ablösesummen von Spielern in Millionenhöhe fließen. "Die Schönheit und die Freude des Fußballs leiden", meinte Neuhold; dasselbe gelte, wenn Sport nun noch als harte Arbeit gesehen werde und nicht auch als befreiendes Spiel.
Vielmehr sei Fußball "Kunst ohne bleibendes Kunstwerk", so die Sichtweise des Grazer Theologen und Fußballfachmanns. In Gefahr gerate dies durch den Zwang, alles festzuhalten und zu messen - etwa "wie viel ist ein Spieler gelaufen, wie viele Pässe hat er gegeben". Auch der heuer erstmals eingesetzte Videobeweis habe seine Schattenseiten: Die Entscheidung des Schiedsrichters, bisher Garant für die Einhaltung von Regeln, werde zunehmend angezweifelt. Es sei jedoch verfehlt, "absolute Gerechtigkeit" im Spiel erreichen zu wollen: Erst dadurch, dass sie nicht erreicht werden könne, werde über einzelne Spielsituationen lange debattiert - oft noch nach Jahren.
Das Potenzial des Fußballs ist für Neuhold kaum zu unterschätzen: Er könne dazu beitragen, "dass der Mensch in den verschiedensten Funktionen - als Zuschauer oder als Spieler - mehr Mensch werden kann und nicht, dass der Mensch dem Verein und dem Fußball dient". Er leite auch den Kampf in einer Richtung, "wo die Konkurrenz nicht zerstörerisch ist, sondern aufbauend für die Leistung aller", so der Experte, Nachsatz: "So gesehen ist Sport irrelevanter Krieg."
Prohaska: Fußball ist eine Lebensschule
Dass Fußball eine "Lebensschule" ist, erklärte im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" auch Österreichs "Jahrhundertfußballer" Herbert Prohaska. Die Austria-Wien-Legende und nunmehrige ORF-Kommentator bekannte, dass für ihn besonders die 0:9-Niederlage Österreichs gegen Spanien in seiner Zeit als Nationalteam-Trainer eine Lehre war. "Auf der Straße bin ich mir fast so vorgekommen wie Jesus, wo sich das Wasser teilt, aber im negativen Sinne. Wenn ich auf der Kärntner Straße war, sind mir die Leute ausgewichen", erzählte er.
Für ihn war diese Erfahrung ein "reinigendes Gewitter", sei es doch für einen Menschen genauso wichtig, nicht nur vom Erfolg verwöhnt, sondern auch manchmal "schön am Boden unten" zu sein. Prohaska:
Fußball würde viel weniger Spaß machen, wenn du immer nur erfolgreich bist. Niederlagen gehören dazu, damit du wieder weißt, du musst mehr tun, du musst es besser machen.
Ein klares Bekenntnis gab Prohaska nicht nur zu seiner Familie - seine frühe Heirat und das geregelte Familienleben bezeichnete er als eine seiner wichtigsten Entscheidungen - sondern auch zum Glauben: Er gehe oft in Kirchen, um für seine Familie zu beten und zünde dort Kerzen an, sei "sicher zehnmal so oft im Petersdom und im Mailänder Dom wie im Stephansdom" gewesen, so der einstige AS Roma- und Inter-Mailand-Star; da stets am Sonntag Matchtag war, gab es seine Kirchenbesuche am Montag. Auch an eine Privataudienz von AS Roma, mit dem Prohaska italienischer Meister wurde, bei Papst Johannes Paul II. erinnere er sich oft noch zurück; er selbst habe die Begegnung mitinitiiert.
Quelle: kathpress