Jüdisch-christlicher Dialog als Widerstand gegen Antisemitismus
Das Bekenntnis zum jüdisch-christlichen Dialog und dessen sichtbare Pflege auf Augenhöhe ist ein wichtiger Beitrag, um dem zuletzt wieder aufkeimenden Antisemitismus zu begegnen. Das war Tenor der Präsentation des Sammelbandes "Erneuerung der Kirchen - Perspektiven aus dem christlich-jüdischen Dialog" am Montagabend in Wien, bei der Vertreter der beiden Religionen teilnahmen: u.a. die katholischen Theologen Martin Jäggle und Wolfgang Treitler als zwei der vier Herausgeber des Buches, der Wiener Oberrabbiner Arie Folger sowie der Protestant Helmut Nausner und der Jude Willy Weisz vom christlich-jüdischen Koordinierungsausschuss. Begrüßt wurden die Gäste von Gastgeberin Danielle Spera, Direktorin im Jüdischen Museum.
Der Präsident des Koordinierungsausschusses, Martin Jäggle, beklagte den immer noch vorhandenen Antisemitismus im kirchlichen Alltag - und dies trotz der wegweisenden Konzilserklärung "Nostra aetate", mit der katholischerseits die bleibende Erwählung des Judentums, in dem das Christentum wurzelt, bestätigt wurde und damit dem jahrhundertelangen Antijudaismus die theologische Grundlage entzogen wurde. Als Beispiel nannte Jäggle eine Predigt, in der gesagt wurde, "man dürfe den Juden keine Vorwürfe machen, denn sie haben es nicht anders gewusst".
Als Beispiel dafür, wie die bisher "unausgeschöpften Potenziale" von "Nostra aetate" für beide Seiten gewinnbringend in einem kontinuierlichen Dialog umgesetzt werden könnten, nannte Jäggle die "zwölf Thesen von Berlin". Darin ergehen Aufforderungen sowohl an christliche wie auch jüdische Gemeinden in der ganzen Welt: etwa Widerstand gegen alle Formen von Antisemitismus und ein Verständnis des Judentums, das dessen eigenständige Integrität bekräftigt, für die Christen; und für Juden gelte es zwischen fairer Kritik an Israel und Antisemitismus zu unterscheiden und den Staat Israel darin zu ermutigen, "die in seinen Gründungsdokumenten formulierten Ideale zu verwirklichen".
Verschiedenheit lässt eigene Identität spüren
Oberrabbiner Folger nahm auf die Befürchtungen der Juden bei der Entstehung von "Nostra aetate" Bezug, dass es zu einem Festhalten an der christliche Judenmission kommen könnte - was dann allerdings nicht der Fall war. Obwohl Juden und Christen ein unterschiedliches Gottesbild hätten, habe das Zweite Vatikanische Konzil eine "Neuorientierung" des Verhältnisses beider Religionen eingeleitet. Weitere Statements bei der Buchpräsentation unterstrichen das Bekenntnis zum Gespräch. Dechant Ferenc Simon, Beauftragter für christlich-jüdische Zusammenarbeit in der Erzdiözese Wien, sagte: "Einen Dialog kann nur der führen, der seinem Gegenüber wirkliches Interesse mitbringt." Und gerade in der Verschiedenheit sei die eigene Identität spürbar.
Das bei Herder erschienene Buch "Erneuerung der Kirchen - Perspektiven aus dem christlich-jüdischen Dialog" wurde von Markus Himmelbauer, Martin Jäggle, Roman Siebenrock und Wolfgang Treitler herausgegeben und ist im Buchhandel erhältlich. Beiträge verfassten u.a. Bruno Forte, Regina Polak, Johanna Rahner, Philip A. Cunningham und Klaus Davidowicz. Im Vorwort der Herausgeber heißt es, der Titel "Erneuerung der Kirchen" habe den Charakter eines "Weckrufes, geprägt von unserer Überzeugung, dass es auch im sechsten Jahrzehnt nach dem Konzil noch die nachdrückliche Aufforderung braucht, die Impulse von Nostra aetate weiterzutragen". Da die Beziehung der Kirche und der Christ(inn)en zum Judentum existenziell so grundlegend ist, dürfe man den Anstoß des Konzils "nicht archivieren und formelhaft freundlichen Beteuerungen und Grußworten überlassen".
Quelle: kathpress