KAÖ zur Flüchtlingspolitik: "Regierung soll weg von Panikmache"
Einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik weg von "Panikmache" hin zu einer zielführenden und menschlichen Integrationspolitik hat die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Gerda Schaffelhofer, gefordert. Nach ihrer jüngsten Klausur habe die Regierung erneut so getan, als seien Flüchtlinge, die in die EU gelangen, die größte Bedrohung, der Europa und damit auch Österreich derzeit ausgesetzt sind. "Die tatsächlichen Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache", wies die KAÖ-Präsidentin am Freitag hin. Im ersten Jahresdrittel 2018 hätten um mehr als 40 Prozent weniger Flüchtlinge in Österreich um Asyl angesucht als im Vergleichszeitraum 2017. Diese Zahl sei auch weit von jenen des Jahres 2015 entfernt, "und trotzdem übt sich Innenminister Herbert Kickl in Alarmismus".
Gleichzeitig habe die Regierung eine Reihe von Maßnahmen geplant bzw. schon gesetzt, die den Asylwerbern und auch anerkannten Flüchtlingen im Land "das Leben offenbar möglichst erschweren sollen, anstatt zielführende und nötige Hilfe zu leisten", beklagte Schaffelhofer. Als Beispiel nannte sie die Ankündigung, die Unterbringung und die Rechtsberatung von Asylwerbern eng an das Innenministerium zu binden und damit private Helfer und NGOs aus diesem Bereich zu verdrängen. "Diese - meist ehrenamtlichen Helfer - machen sich im Notfall für die Wahrung der Rechte und legitimen Interessen der Asylwerber stark", vermutete Schaffelhofer als Hintergrund.
"Generell wird in der Flüchtlings- und Zuwanderungsdebatte von Regierungsseite ein Ton forciert, der polarisiert, der manche Gesellschaftsgruppen als ganze zur Gefahr bzw. zu Schmarotzern stilisiert", so die Beobachtung der KAÖ-Präsidentin. "Das ist ein gefährliches Spiel, wie wir aus unserer eigenen Geschichte wissen." Wenn Minister Kickl in den Raum stelle, Österreichs Grenzen völlig dichtzumachen, "so appelliere ich als Christin: Machen wir unsere Herzen nicht dicht! Und lassen wir uns unsere Herzen nicht durch populistische Panikmache verhärten." Schaffelhofer rief dazu auf, die Schicksale der Flüchtlinge und Zuwanderer "an uns heranzulassen" und zu versuchen, eine "gemeinsame Zukunft zu bauen". Menschenwürde und Menschenrechte müssten dabei die Leitlinien sein.
Rechtsberatung muss weisungsfrei sein
Die KAÖ-Präsidentin ging in ihrer Aussendung auf die angedachte Gründung einer Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen ein, die sowohl die Unterbringung als auch die Rechtsberatung von Asylwerbern eng an das Innenministerium binden würde. Dessen Verträge mit Organisationen, die derzeit Rechtsberatung leisten, sollen dem Vernehmen nach Ende 2018 gekündigt werden, nach der einjährigen Kündigungsfrist soll die Neuorganisation mit bei der Bundesagentur angestellten Rechtsberatern ab 2020 greifen. Damit würde jedoch die unabhängige Rechtsberatung de facto eingestellt, kritisierte Schaffelhofer:
Damit würde das Innenministerium die Rechtmäßigkeit der eigenen Bescheide im Streitfall selbst beurteilen. Das spricht einem Rechtsstaat, der diesen Namen verdient, Hohn.
Und es würde laut der KAÖ-Präsidentin auch den EU-Vorgaben für eine unabhängige, weisungsfreie Rechtsberatung von Asylwerbern widersprechen.
"Völliges Unverständnis" äußerte Schaffelhofer für jene Abschiebungen, in denen Lehrlinge zuletzt aufgrund eines negativen Asylbescheides aus ihrer Lehrausbildung - manchmal direkt von ihrem Arbeitsplatz weg - "herausgerissen und in ihre Heimat verfrachtet" worden seien. Seit 2015 ist der Lehrstellenmarkt für Asylwerber bei Mangelberufen geöffnet - also in Bereichen, in denen die Wirtschaft dringend Lehrlinge und qualifizierte Mitarbeiter sucht, erinnerte Schaffelhofer. Aktuell absolvieren mehr als 700 jugendliche Asylwerber eine solche Lehre.
Es sei "menschlicher und auch wirtschaftlicher Schwachsinn der Sonderklasse", zuerst - "völlig zu Recht" - Zeit, Engagement und Geld in die Ausbildung von jungen Menschen zu investieren und diese "und uns selbst" dann um die Früchte dieses Einsatzes zu bringen. Die KAÖ-Präsidentin plädierte demgegenüber für deutsche "3plus2-Modell", in dem Flüchtlinge drei Jahre in Lehre gehen und dann noch zwei Jahre arbeiten können, ohne von Abschiebung bedroht zu sein.
Kirchenasyl als Notmaßnahme?
Große Bedenken gebe es in der Katholischen Aktion auch zu den steigenden Abschiebungen - um 38 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres - in unsichere Heimatländer wie Afghanistan. Humanitäres Bleiberecht wurde zuletzt kaum gewährt. Schaffelhofer wies auf Bestrebungen in der Erzdiözese Salzburg hin, in Härtefällen stärker Möglichkeiten des Kirchenasyls auszuloten:
Ich kann dem viel abgewinnen. Es geht immer um das Schicksal einzelner Menschen, und als Christen können wir nicht einfach zusehen, wenn einem Mitmenschen Gefahr droht.
Zum Einwand, dass mit der Gewährung humanitärer Aufenthaltstitel nach negativem Asylbescheid der grundlegende Unterschied zwischen gezielter Zuwanderungspolitik und dem Flüchtlings- und Asylwesen verwischt werde, meinte Schaffelhofer: "Die reine Lehre der Migrationspolitik wird nirgends praktiziert." Österreich habe 2015 viele Flüchtlinge aufgenommen. Das Recht, abgelehnte Asylwerber abzuschieben, bleibe bestehen. "Aber was hindert uns daran, mit den Menschen, die hier sind, ob sie nun bleiben werden oder nicht, das Beste zu machen?", fragte Schaffelhofer.
Sammelquartiere und Streichung der Mittel für Deutschkurse bei gleichzeitiger Kürzung der Mindestsicherung, wenn keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden, zählen sicher nicht dazu.
Quelle: kathpress