Glettler-Appell: Syrische Bevölkerung braucht dringend Hilfe
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler appelliert an die Österreicher, mit der notleidenden syrischen Bevölkerung Solidarität zu üben.
Wir dürfen Syrien auch angesichts der verstörenden Bilder, die vielen schon unerträglich sind, im Elend nicht vergessen. Gerade in dieser kritischen Phase, wo sich für Syrien entscheidet, ob die Mehrheit der verbliebenen Bevölkerung noch an eine positive Zukunft glauben soll, sind finanzielle und logistische Hilfestellungen zur Unterstützung verlässlicher humanitärer Partner vor Ort ganz entscheidend.
Glettler äußert sich in einem Grußwort in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Information Christlicher Orient".
Der Bischof war vor Kurzem selbst in Syrien, wo er sich ein Bild von der aktuellen Situation machen konnte:
Am stärksten präsent sind für mich nach wie vor die Bilder von den menschenleeren, komplett ausgebombten und niedergeschossenen Dörfern.
In Aleppo und Homs seien ganze Stadtteile nur mehr Trümmerfelder und geisterhafte Ruinen. Glettler:
Diese Bilder sind schwer verdaulich. Aber ich habe auch deutlich Menschen vor Augen, die sich trotz allem und mit einer unglaublichen Leidenschaft für die am stärksten Betroffenen einsetzen.
Der Bischof berichtet davon, wie er im Ostteil von Aleppo das erste Fest besuchte, das seit dem Ausbruch der Kämpfe im Jahr 2012 dort stattfand: "Bei der Muttertagsfeier in einer dafür adaptierten Garage sind viele verschleierte Mütter und ein toller Kinderchor. Ein Theaterstück spiegelt das Chaos ihrer eignen Zerwürfnisse und trainiert das gemeinsame Lösen von Problemen." Ein Haus, ehemals Gefängnis der Al-Nusra Front, diene nun der Entwicklung des Stadtteils. Im Erdgeschoß sei eine Art Vorschule für traumatisierte Kinder eingerichtet worden, im ersten Stock eine Polyklinik. Dort würden eine Handvoll Ärzte, Männer und Frauen, Christen und Muslime, ihre ärztlichen Dienste gegen eine karge Bezahlung anbieten. Auch eine bescheidene Apotheke sei eingerichtet.
Die Christen in Aleppo seien zahlenmäßig fast aufgerieben, berichtet der Bischof weiter. Von den etwa 130.000 Christen vor dem Krieg gebe es nur mehr rund 30.000. Und auch das vor dem Krieg in Syrien selbstverständliche Vertrauen zwischen verschiedenen Ethnien und Religionen sei nachhaltig zerstört worden. Dieses müsse aber trotz der spürbaren Resignation wieder aufgebaut werden. Glettler:
Die Christen als Minderheit spielen in diesem größtenteils muslimischen Land eine ganz wichtige vermittelnde Rolle. Durch die unterschiedlichen Konfessionen, die bis in die ersten Jahrhunderte des Christentums zurückreichen, gibt es eine Praxis des Zusammenlebens in Verschiedenheit. Das ist eine überlebensnotwendige Erfahrung, die für die gesamte Gesellschaft, wenn sie sich wieder aufrichten möchte, von entscheidender Bedeutung sein wird.
ICO: Hilfe ist möglich
In die selbe Kerbe wie Glettler schlägt auch der Linzer Generaldechant und Obmann der "Initiative Christlicher Orient" (ICO), Slawomir Dadas. Er hat Anfang Mai Syrien bereist und appelliert im ICO-Magazin: "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, für die Menschen in Syrien verstärkt Hilfsmaßnahmen zu starten. Wir müssen alles tun, damit die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen können, damit sie in ihrem Land bleiben können." Die ICO werde ihre Hilfe im Land verstärken.
Im Westen stelle man sich aufgrund der Medien vor, dass in Syrien überall Krieg herrscht. In vielen Teilen des Landes gehe das Leben aber auch "relativ normal" weiter, so Dadas: "Es ist schon sehr ambivalent. Zum Teil gibt es diese furchtbaren Zerstörungen, zum Teil auch wieder geschäftiges Treiben." Die Kirchen seien oft die einzigen Organisationen, die helfen. Zudem hätten die Kirchen vor Ort im Bereich der Versöhnung eine immense Aufgabe. Dadas: "Kirchliche Hilfe kommt Christen wie auch Muslimen zugute."
Zur Beziehungen zwischen Christen und Muslimen meint Dadas wörtlich: "Es wurde uns überall berichtet, dass es kein Religionskrieg ist, sondern ein politischer Stellvertreterkrieg." Im Krieg hätten die Menschen Solidarität gezeigt. Gerade in den schwierigsten Zeiten, als die Bomben fielen.
Da hat man sich gegenseitig geholfen. Das hat Christen und Muslime zum Teil auch näher zusammengeführt. Ich spreche hier freilich von den von der Regierung kontrollierten Landesteilen.
Die ICO unterstützt zahlreiche kirchliche Hilfsprojekte in Syrien, so etwa die Franziskanerinnen in Aleppo, die sich u.a. um die Gesundheitsversorgung von Kindern oder um traumatisierte Frauen (Christinnen wie Muslimas) annehmen. Seit sechs Jahren leben im Kloster auch fünf muslimische Flüchtlingsfamilien. Zudem haben die Ordensfrauen im Kloster ein Studentenwohnheim eingerichtet, das derzeit ausschließlich von 25 Muslimen bewohnt wird.
Das in Linz ansässige Hilfwerk ICO ist in der "Langen Nacht der Kirchen" (25. Mai) mit einem Infostand im Priesterseminar (Harrachstraße 7, 4020 Linz) präsent. Geboten werden von 20 bis 23 Uhr nicht nur Informationen über die Organisation und die Christen im Orient sondern auch "orientalische Klänge" und "Kulinarisches aus dem Orient", wie es im Programmheft zur Langen Nacht heißt.
(Infos: www.christlicher-orient.at)
Quelle: kathpress