Küberl: Österreich braucht dringend neue Dialogkultur
Österreich braucht dringend eine neue Dialogkultur. Zu dieser Einschätzung ist der frühere Caritas-Präsident Franz Küberl beim jüngsten Medienempfang des Salzburger Erzbischofs Franz Lackner gekommen. In seiner Ansprache - die von den "Salzburger Nachrichten" am Dienstag in Auszügen abgedruckt wurde - plädierte Küberl für die Bereitschaft, Kritik und Widerspruch nicht als "Affront" zu bewerten wie dies in jüngster Zeit mehrfach geschehe, sondern als "Anregung zum Weiterdenken". Fehlende Kritikfähigkeit sei demgegenüber ein "demokratiepolitischer Rückschritt", befand Küberl. Er forderte auch die Kirche auf, sich stärker in den gesellschaftspolitischen Diskurs einzubringen und regte dazu einen neuen Sozialhirtenbrief an.
Seit dem Erscheinen des Sozialhirtenbriefes der österreichischen Bischöfe von 1990 und dem "Dialog für Österreich" der 1990er-Jahre fehle ein kontinuierlicher Austausch zwischen Kirche und Politik, bedauerte der Ex-Caritas-Chef. Damals habe es etwa Gespräche mit den Parteipräsidien der Regierungsparteien gegeben, dazu Studientage mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Ähnliche Schienen gelte es heute wieder zu befahren, meinte Küberl. Das seiner Ansicht nach zentrale Thema der Kirche gegenüber der Politik ist Gerechtigkeit. Konkrete Herausforderungen gebe es genug - Küberl nannte Flüchtlinge und Zuwanderung, Entwicklungszusammenarbeit, Europapolitik oder Nachhaltigkeit. Die Kirche solle sich diesen seit 1990 in viel größerer Brisanz zutage getretenen Themen in einem neuen Sozialhirtenbrief widmen.
Die gerechte Ordnung von Staat und Gesellschaft ist nach den Worten Küberls ein zentraler Auftrag an die Politik. Ohne diesen Anspruch wäre ein Staat nur eine "große Räuberbande", zitierte der Steirer den heiligen Augustinus. Die Kirche könne nicht nur in Wort und Tat zu dieser Gerechtigkeit beitragen, sie sei vom Evangelium her sogar dazu verpflichtet.
Wechselhaftes Kirche-Staat-Verhältnis
Küberl skizzierte in seiner Rede das wechselhafte Verhältnis zwischen Kirche und Staat in der jüngeren Geschichte Österreichs. Mit dem Staatsgrundgesetz von 1867 seien noch in der Donaumonarchie die staatsbürgerlichen Rechte vom jeweiligen Glaubensbekenntnis unabhängig geworden. Doch nach dem Ersten Weltkrieg sei es zu einer Abkehr von dieser grundlegenden Trennung von Kirche und Staat gekommen, erinnerte Küberl an den Schulterschluss von katholischer Kirche und christlichsozialer Partei. Nach dem Ende des NS-Regimes sei es zur Erneuerung des Konkordats mit dem Heiligen Stuhl gekommen, die Bischofskonferenz wurde als eine jener gesellschaftlich relevanten Einrichtungen anerkannt, die zur Begutachtung von Gesetzen eingeladen werden.
Diese Normalisierung des Verhältnisses dürfe nicht in zunehmende wechselseitige Distanz münden, forderte Küberl neue Begegnungsebenen ein; dabei brauche es den Weg "durch das Nadelöhr des Nachdenkens und der Gewissensbildung".
Anlässlich des kirchlichen Mediensonntags hatte Erzbischof Lackner bereits am Mittwoch, 16. Mai, Salzburger Medienvertreter zum Empfang in das Bischofshaus geladen. Mit dabei war auch Weihbischof Hansjörg Hofer.
Quelle: kathpress