Bleiburg-Gedenken: Bischof mahnt Gläubige zu Friede und Vergebung
Die Erinnerung an die Leiden der Vergangenheit soll mit Hilfe des christlichen Glaubens die Menschen heute zu Friede, Vergebung und Toleranz befähigen. Mit dieser Botschaft wandte sich Erzbischof Zelimir Puljic bei der Messe am Samstag in Bleiburg an die rund 12.000 kroatischen Gläubigen, die zum traditionellen Opfergedenken auf das Loibacher Feld gekommen waren. Die vom Vorsitzenden der Kroatischen Bischofskonferenz geleitete Messe war der Höhepunkt der Gedenkfeier, die unter dem Ehrenschutz des Kroatischen Parlaments stand und als dessen Repräsentant Parlamentspräsident Gordan Jandrokovic anwesend war. Aus Bosnien-Herzegowina nahm der Kroate Dragan Covic als Mitglied des Staatspräsidiums an der Feier teil.
Die heutige Zeit verlange nach Menschen, die fähig seien, eine neue Welt, ein neues und anderes Kroatien und Europa zu schaffen, so der Erzbischof von Zadar: Gefragt seien "engagierten Christen, die hoffen, glauben und lieben, Menschen, die vom Evangelium ergriffen und somit fähig sind Frieden, Liebe und Toleranz zu bezeugen". Angesichts historischer Leiden und der Erfahrung von Intoleranz seien Christen zu Frieden, Liebe, Vergebung und Vertrauen angehalten, "damit uns der Herr von der 'Pest' des Hungers, des Kriegs und der bösen Zeit bewahren möge".
Gleichzeitig unterstrich der Erzbischof die Bedeutung des Gedenkens an einem Ort wie Bleiburg, der für Kroaten "eine Metapher für die Qual, Verfolgung und den grausamen Tod unzähliger Menschen" sei. Bleiburg sei Mahnung und Einladung zugleich, um auf die Geschichte mit den Augen des Glaubens zu schauen. Das Loibacher Feld sei ein Ort, um sich im Gebet der zahlreichen bekannten und unbekannten Opfer zu erinnern, die unschuldig in den Lagern umgekommen sind, so der Erzbischof unter Verweis auf die Gräuel unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die vom kommunistischen Regime in Jugoslawien dann "über Jahrzehnte unterdrückt, geleugnet, gerechtfertigt und klein gesprochen wurden". Laut Puljic waren es zwei Ideologien, die im 20. Jahrhundert massenhaftes Leid über die Menschen gebracht haben: "die gottlose faschistische Ideologie mit ihren satanischen Rassengesetzen und Konzentrationslagern und die gottlose kommunistische Ideologie mit ihren Verbrechen und Gulags".
Eröffnet wurden die Feierlichkeiten, zu denen am Beginn der Messe weniger gekommen waren als im Vorjahr, mit einem Gebet des Erzbischofs am Friedhof in Unterloibach, von wo dann die Prozession zur Gedenkstätte am Loibacher Feld führte. Nach der Messe sprach namens der islamischen Gemeinschaft in Kroatien, Idriz Efendi Besic, ein Gebt für die muslimischen Opfer. Beim zivilen Teil der Gedenkfeier hielten der kroatische Parlamentspräsident sowie der kroatische Repräsentant im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina eine Ansprache. Die Messe und das zivile Gedenken wurde vom staatlichen kroatischen Fernsehsender HRT1 live übertragen.
Parlamentspräsident: Wahrheit und Verantwortung
Das Gedenken an die Opfer der "Bleiburger Tragödie" ist der historischen Wahrheit von Kriegsverbrechen geschuldet und Grundlage für den Aufbau einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft in Kroatien. Das betonte der kroatische Parlamentspräsident Gordan Jandrokovic beim zivilen Teil der Gedenkfeiern nach der Messe am Loibacher Feld. "Wahrheit annehmen heißt gleichzeitig auch Verantwortung übernehmen", so der Sabor-Vorsitzende, der sich für ein Kroatien aussprach, in dem unterschiedliche Meinungen, Wertvorstellungen und Weltsichten anzunehmen seien. Es brauche "Koexistenz verschiedener Interessen und Lebensweisen, mit allen die an den grundlegenden Werten des kroatischen Volkes festhalten - unseren christlichen Wurzeln und der Zugehörigkeit zum Erbe der europäischen Zivilisation". Es sei Aufgabe aller, einen Beitrag zur demokratischen Entwicklung Kroatiens zu leisten - "durch Erinnerung und Vergebung - in der Annahme des Anderen - in Einheit und Solidarität".
Der Parlamentspräsident bekräftigte seine Zusagen, dass auch künftig der Kroatische Sabor die Schirmherrschaft über die Gedenkveranstaltung in Bleiburg in übernehmen werde. Es sei eine moralische, humane und zivilisatorische Verpflichtung, "um den Opfern, die aus Rache, Hass, Intoleranz oder ideologischer Verblendung umgekommen sind, Pietät zu erweisen", so Jandrokovic, der festhielt: "Auf dem Loibacher Feld bei Bleiburg und bei den Todesmärschen - den sogenannten 'Kreuzwegen' - ereigneten sich schreckliche Verbrechen, über die lange geschwiegen wurde, ohne dass die Täter jemals vor Gericht gestellt wurden." Wollen man auf eine verantwortungsvolle Weise die Vergangenheit bewältigen und die Zukunft aufbauen, so müssen man das anerkennen und annehmen.
Kirche in Kärnten macht Auflagen
Weil in den letzten Jahren vermehrt Teilnehmer die Veranstaltung nutzten, um am Rande des Gedenkens das kroatische Ustascha-Regime zu verherrlichen, hat die Katholische Kirche in Kärnten diesen Missbrauch der Feier wiederholt verurteilt, die Feier der Messe verbunden mit konkreten Auflagen jedoch wieder erlaubt. So sind politische Reden während der Messe verboten, weiters sind das Tragen von Uniformen und Abzeichen, Transparente und auch der Ausschank von Alkohol sowie das Betreiben von Verkaufsständen im Umfeld der Veranstaltung untersagt. Mit 288 Polizisten im Einsatz und zusätzlichen Reserven hat es heuer eine massive Verstärkung des Sicherheitspersonals gegeben.
Gedenken verlief friedlich
Das Gedenkfeiern in Bleiburg sind schließlich ohne größere Zwischenfälle am Samstagnachmittag zu Ende gegangen. Laut Polizeiangaben gab es dennoch sieben Festnahmen und neun Anzeigen nach dem Verbotsgesetz. Für die Einhaltung der im Vorfeld seitens der Katholischen Kirche in Kärnten gemachten Auflagen sorgten u.a. kroatische Securitys, die Personen mit politischen Fahnen oder Abzeichen den Zutritt zum Feiergelände verwehrten.
Laut Polizei kam es im Rahmen der Veranstaltung weder zu Ausschreitungen noch zu Gewaltdelikten. Wie die Austria Presseagentur (APA) berichtete, gab es allerdings - neben den Übertretungen nach dem Verbotsgesetz - eine Anzeige wegen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes, eine Anzeige wegen einer Anstandsverletzung über einen T-Shirt-Aufdruck, eine Anzeige nach der Gewerbeordnung (unbefugte Gewerbeausübung) und zwei Organstrafverfügungen gegen Personen, die Gleisanlagen betreten hatten. Bei den sieben nach dem Verbotsgesetz festgenommenen Personen handelt es sich um sechs Kroaten und einen Slowenen, sie alle wurden am frühen Abend noch einvernommen.
Erstmals gab es zur Gedenkfeier eine Gegendemonstration, die ebenfalls friedlich verlief. Sie fand weiter entfernt von der eigentlichen Veranstaltung im Ortskern von Bleiburg statt, an der knapp 100 Personen teilnahmen.
"Bleiburger Tragödie"
Bereits seit den 1950er-Jahren finden jeweils im Mai am Loibacher Feld Messen im Gedenken an die Opfer von Kriegsverbrechen bei der "Beiburger Tragödie" statt. Der von Überlebenden und Exil-Kroaten in Kärnten gegründete Verein "Bleiburger Ehrenzug" tritt dabei als Veranstalter auf. Nach dem politischen Zusammenbruch Jugoslawiens arbeitet der Verein bei der Organisation der Gedenkfeier mit den höchsten politischen Autoritäten Kroatiens und später auch Bosnien-Herzegowinas zusammen. Seit 2013 ist für die Feier der Messe die Kroatische Bischofskonferenz verantwortlich, die von der Nationaldirektion der kroatischen Auslandsseelsorge vorbereitet wird. Regelmäßig nehmen daran zwischen 10.000 bis 20.000 Gläubige teil. Bei den Feiern zum 70-Jahr-Gedenken waren im Mai 2015 laut Angaben der Veranstalter rund 50.000 Gläubige zur Messe gekommen, die vom Zagreber Erzbischof Kardinal Josip Bozanic gefeiert wurde.
Das Gedenken am Loibacher Feld erinnert an die "Bleiburger Tragodie" vom Mai 1945. Rund eine halbe Million Flüchtlinge aus Slowenien, Kroatien und Bosnien hielten sich am Ende des Zweiten Weltkrieges, von Süden kommend, in Kärnten auf. Nach dem Zusammenbruch der Ostfront und der Niederlage der Wehrmacht am Balkan brach auch der "Unabhängiger Staat Kroatien" (kurz (Nezavisna Drzava Hrvatska/NDH), der 1941 ausgerufene faschistische Vasallenstaat der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg unter dem Ustascha-Diktator Ante Pavelic, zusammen.
Im April und Mai 1945 fand eine wahre Völkerwanderung Richtung Österreich statt. Unter den Flüchtlingen waren einfache Soldaten, slowenische Heimwehrangehörige ("Domobranci"), kroatische Kollaborateure ("Ustasi") und Familienangehörige der Soldaten. Die Briten, die als Besatzungsmacht Kärnten kontrollierten, ließen die Flüchtlinge allerdings wieder zurück nach Jugoslawien bringen und lieferten sie den kommunistischen Machthabern aus.
Jenseits der Grenze begannen die Massaker, als Angehörigen der Tito-Armee die Gefangenen in Empfang nahmen. Viele der Flüchtlinge wurden grausam ermordet. Der Fluchtpunkt Kärnten und die höchst fragliche Vorgangsweise der Britischen Besatzungsmacht ging als die Tragödie von Bleiburg und Viktring in die Geschichte ein. Bereits auf den Fußmärschen in die Lager wurden zahlreiche Zurückgeschickte ermordet, weitere Massaker wurden in den Lagern verübt. An vielen Orten Sloweniens kam es ohne jedes Gerichtsverfahren zu summarischen Hinrichtungen von antikommunistischen Militärangehörigen, auch Zivilisten und deutsche Kriegsgefangene wurden umgebracht und in Panzergräben, Bergwerken, Dolinen und unzugänglichen Orten verscharrt. Von tausenden Gefangenen in den Lagern Teharje, Sentvid nad Ljubljano und Skofja Loka überlebte nur eine kleine Zahl an Zivilpersonen und Minderjährigen. Die Gesamtzahl der hauptsächlich auf slowenischem Gebiet exekutierten Personen wird auf über 100.000 geschätzt.
Quelle: kathpress