Thema Flucht: Menschenschicksale sehen statt Vorurteile hegen
Beim Thema Flucht und Migration gelte es "konkrete Schicksale ganz konkreter Menschen, deren Motive, Hintergründe und Leiderfahrungen in den Blick nehmen anstatt pauschalierende und damit immer auch erfahrungsfremde Allgemeinbehauptungen zu verbreiten": Das war der Tenor eines theologischen Studientages unter dem Titel "Flucht, Trauma und das Leben hier und jetzt", zu dem Einrichtungen der Diözese Eisenstadt und das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR Österreich) in das Haus St. Stephan nach Oberpullendorf eingeladen hatten. "Es geht immer um Menschen und damit um das Gebot der Menschlichkeit", betonte Johann Artner vom Katholischen Bildungswerk in einer Aussendung der Diözese am Montag.
Heimatvertriebene seien mit zahlreichen Problemen und Schwierigkeiten in Europa konfrontiert, wies Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, hin:
Die Hilfsbereitschaft aus dem Jahr 2015 ist Anfang 2016 umgeschlagen. Nun sind es Misstrauen, Neid und teilweise sogar Hass, die geflüchteten Menschen entgegenschlagen.
Auch die Hilfe habe sich stark verändert: Von der Nothilfe wurde nun der Schwerpunkt auf Integration gelegt, berichtete der Caritas-Vertreter. Von den 88.000 Menschen, die im Jahre 2015 um Asyl ansuchten, seien bereits 29 Prozent am Arbeitsmarkt angekommen. Ein Erfolg, "der nur dank der vielen Freiwilligeninitiativen ermöglicht wurde, die sich in ihrer Freizeit in Deutschkursen, Ausflügen und bei anderen Tätigkeiten um Geflüchtete kümmern", so Schwertner.
"Heilsame Beziehungen" nannte es die Psychotherapeutin Barbara Preitler, wenn Menschen andere Menschen begleiten. Nur durch diese könnten traumatische Wunden von Menschen auf der Flucht geheilt werden. Fluchtgründe wie etwa Krieg, Verfolgung und Gewalt seien zugleich Ursachen für tiefgreifende Traumata, die durch Trennung von der Familie, Ausgeliefert-Sein an Schlepper, Hilflosigkeit auf der Flucht und Orientierungslosigkeit im Ankunftsland noch verstärkt werden. "Einfach ist weder das Leben in den Ursprungsländern noch die Flucht selbst", betonte Preitler.
"Fake News" werden zu Hass-"Blasen"
"Fake News", als falsche Behauptungen, oft verbunden mit feindseligen, teils hasserfüllten Untergriffen, sind mittlerweile zu einem großen Problem in Sozialen Medien geworden. Marie-Claire Sowinetz vom UNHCR erläuterte auf der Tagung, wie solche bewusst gestreuten Falschmeldungen zu "Blasen" - in sich geschlossenen ideologischen Kommunikationskanälen - werden, die von realen Erfahrungen und evidenzbasiertem Wissen systematisch abgeschottet sind. "Fake News" betreffen laut der Expertin etwa Behauptungen zu Fluchtmotiven - zum Beispiel die Unterstellung, viele Geflüchtete wollten es sich im heimischen Sozialsystem bequem machen. Dass in Ländern wie Syrien und Afghanistan Menschen tagtäglich ermordet, verfolgt und gefoltert werden, Krieg und Kriegsverbrechen ausgesetzt sind, werde in solchen "Fake News" gezielt ausgeklammert, sagte Sowinetz.
Die Betroffenen "flüchten vor Gewalt und Terror, Not und Zerstörung, tragen traumatische Erlebnisse mit sich und sind in Europa nicht selten mit Misstrauen und pauschalierenden Vorurteilen, ja mitunter mit Abneigung und Hass konfrontiert", heißt es in der Zusammenfassung der Diözese weiter. Darin wird der quer durch Afrika nach Europa geflohene Student Emmanuel Mbolela als Beispiel genannt, der nichts weiter getan habe, als an einer regierungskritischen Demonstration in der Demokratischen Republik Kongo teilzunehmen: "Die Demonstration endete in einem Blutbad, verursacht durch das Militär. Mbolela musste fliehen, ohne Papiere und ständig mit der Angst vor Militär und Polizei - aus einem Land, in dem Menschenrechte nicht geachtet werden, in dem Folterungen, Misshandlungen bis zu Morden an der Zivilbevölkerung an der Tagesordnung stehen."
"Glaubt ihr, es geht mir ums Geld?"
Die auf der Tagung vorgestellte Initiative "Search Racism - Find Truth" stellt sich gegen Pauschalurteile, Unwahrheiten und gegen die Verbreitung von Hass im Internet: "Mein Zuhause wurde bombardiert und komplett zerstört. Drei meiner Cousins wurden getötet. Glaubt ihr immer noch, es geht mir ums Geld?", fragt Najlaa aus Damaskus in einem YouTube-Video der Initiative.
Veranstaltet wurde die Tagung "Flucht, Trauma und das Leben hier und jetzt" von der Pädagogischen Hochschule Burgenland, vom UNHCR, dem Katholischen Bildungswerk, der Katholischen Aktion und dem Pastoralamt der Diözese Eisenstadt.
Quelle: kathpress