Katholischer Experte: Warum nicht Arbeitszeit verkürzen?
Die in verschiedenen Industriebranchen, im Telekommunikations- und Transportwesen und sogar im sozialen Dienstleistungsbereich feststellbare Digitalisierung sollte Anlass sein, über eine Arbeitsverkürzung nachzudenken. Dafür hat sich Philipp Kuhlmann, der Vorsitzende der "Katholischen Arbeitnehmer/innen Bewegung Österreichs" (KABÖ), in einem Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" ausgesprochen. Kritik übte er zugleich an den Regierungsplänen zur Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden "Das ist definitiv die falsche Richtung, wenn ich auf das Wohl der Menschen schaue", sagte Kuhlmann.
Zurzeit gibt es in Österreich etwa 400.000 Arbeitslose und nur 60.000 offene Stellen. Dass es nicht genug Arbeit für alle gibt, sei somit eine offensichtliche Tatsache, sagte der KABÖ-Vorsitzende. Wobei es nicht zu wenig Arbeit gebe, sie sei nur schlecht verteilt. In einer solchen Situation Menschen durch hohe eine hohe Belastung im Job "auszuquetschen" entspreche zwar der "Logik der Wirtschaft", aber Kuhlmann hält es mit Papst Franziskus:
Die Wirtschaft soll dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.
Laut dem als Betriebsrat in der Privatwirtschaft tätigen Fachmann zeigen bereits einige Firmen, die freiwillig eine 30-Stunden-Woche eingeführt haben, "dass es auch anders gehen kann". Selbst Unternehmen wie der Weltkonzern "voestalpine" hätten eine 34,5-Stundenwoche eingeführt. "Menschen aus diesem Bereich, mit denen ich gesprochen habe, waren zunächst skeptisch, aber keiner möchte mehr zurück ins alte System", berichtete Kuhlmann. Sie seien im Gegenteil froh über den Zugewinn an Freizeit und hätten dafür teilweise auf Geld verzichtet. Allerdings, so räumte Kuhlmann ein: In dieser Branche gebe es entsprechend höhere Einkommen, den "Luxus" einer Gehaltsreduzierung im Tausch für mehr Freizeit könne sich eine Kassiererin im Einzelhandel nicht leisten.
Digitalisierung "nicht gleich verteufeln"
Zur allgegenwärtigen Digitalisierung sagte der Arbeitnehmervertreter, diese solle "nicht gleich verteufelt" werden. "Digitaler Wandel ist einfach Realität." Es sei eine historische Tatsache, dass Branchen, in denen neue Technologien zum Tragen kommen, einen Aufschwung erfahren. Dabei entstünden neue Arbeitsplätze. "Bereiche, in denen das nicht möglich ist, gehören hingegen zu den Verlierern", wies Kuhlmann hin. Er rechnet damit, dass manche Berufsfelder verschwinden, andere neue jedoch geschaffen werden. Für den sozialen Bereich sieht Philipp Kuhlmann - wie er dem "Sonntag" erklärte - den Einsatz von Robotern nur bedingt als ethisch vertretbar an: "Die Technologie kann die Menschen unterstützen, nur darf sie diese nicht zunehmend ersetzen."
Vor dem Hintergrund all dieser Veränderungen plädierte der der KABÖ-Vorsitzende für einen starken Sozialstaat: Dieser stehe für "institutionalisierte Nächstenliebe" und Christen sollten ihn gegen kurzsichtige Gruppeninteressen bewahren und absichern - wie dies derzeit etwa durch die Initiative "Christlich geht anders" geschehe. Es dürfe nicht alles an private Unternehmen ausgelagert werden, "die sich dann um ihren Gewinn und weniger um die Menschen kümmern", betonte Kuhlmann.
Wenn jetzt beispielsweise die AUVA angegriffen wird, ist dies ein Hinweis dafür, dass das Sozialsystem zurückgefahren werden soll.
Das sei kurzsichtig, denn "im Prinzip nützt der Sozialstaat allen und besonders denen, die weniger haben".
Quelle: kathpress