Theologe und Psychiater Lütz bricht Lanze für das Christentum
"Der Skandal der Skandale - Die geheime Geschichte des Christentums" heißt das neue Buch des deutschen Theologen und Psychiaters Manfred Lütz, in dem er laut eigenen Angaben in allgemeinverständlicher Form den heutigen Stand der Geschichtsforschung zu all den "sogenannten Skandalen der Christentumsgeschichte" aufarbeitet. Wie Lütz im "Kurier"-Interview (Donnerstag) kritisiert, sei das Christentum in der Öffentlichkeit nur mehr als Sammlung von Skandalen bekannt. Daher schämten sich Christen heutzutage sicherheitshalber dafür, ohne die Geschichte genau zu kennen. Papst Franziskus oder Mutter Teresa schätze man nicht, "weil sie Christen sind, sondern obwohl sie Christen sind, man nimmt es ihnen sozusagen nicht übel".
Zur Frage, ob der moderne Mensch nicht ohne Religion besser dran wäre, hatte Lütz eine eindeutige Meinung:
Mit dem real existierenden Atheismus hatten wir im 20. Jahrhundert einen katastrophalen Feldversuch: Die drei atheistischen Diktatoren Hitler, Stalin und Mao haben nach heutigem Forschungsstand insgesamt 165 Millionen Menschen töten lassen. Der Atheismus kann also auch nicht die Lösung sein.
Linken-Chef Gregor Gysi habe bei der Vorstellung von Lütz's Buch gesagt, er sei zwar Atheist, habe aber "Angst vor einer gottlosen Gesellschaft", weil dieser die Solidarität abhanden kommen könnte. Lütz:
Und tatsächlich haben all die Trumps, Dieter Bohlens und Heidi Klums wieder ganz vorchristliche Werte. Für sie sind Erfolg, Geld und Ruhm das Wichtigste. Über Behinderte macht man sich lustig.
Für die Christen aber seien im Gegenteil immer die Menschen in Not die wichtigsten, "in denen konnte man Gott selber begegnen". Mitleid sei eine christliche Erfindung, wie auch Toleranz.
Überrascht habe ihm beim Recherchieren für sein Buch beispielsweise die Tatsache, dass die Christen im ersten Jahrtausend ihres Bestehens als einzige Religion keine Andersgläubigen getötet hatten. Umso mehr seien dann freilich die Kreuzzüge danach ein "echter Skandal". Am meisten erschüttert hätten ihm beim Schreiben des Buches die Missbrauchsskandale, "weil ich auch als Psychiater damit zu tun hatte".
Auch "Internationalität" sei eine christliche Erfindung, so Lütz weiter:
Für die Stammesreligionen hatten die Menschen anderer Stämme gar keine Rechte, die hießen noch nicht einmal Mensch, man konnte sie ohne Weiteres töten.
Die Christen glaubten aber an nur einen Gott, der alle Völker und alle Menschen geschaffen hatte und deswegen waren für die Christen von vornherein alle Völker gleich. Das bedeute aber auch, so Lütz:
Leute, die das christliche Abendland hochleben lassen und gleichzeitig 'Deutschland, Deutschland über alles' brüllen, sind schlicht nicht richtig informiert. Das geht nämlich nicht.
Zum Dialog mit dem Islam sagte der Theologe und Psychiater, dass es dafür entscheidend sei, dass Christen oder christlich geprägte Atheisten wenigstens ihr eigenes Christentum kennen. Sonst seien gläubige Muslime an einem Gespräch oft gar nicht interessiert.
Papst Franziskus mache heute genau das Richtige:
Er geht zu den Menschen am Rand der Gesellschaft, er stellt die Schwachen wieder in den Mittelpunkt. Das ist einerseits das zentrale Thema und die wichtigste Botschaft Jesu gewesen und auf diese Weise verstehen auch heute wieder viele Menschen, was eigentlich das Wesentliche des Christentums ist.
Auf Basis des umfangreichen Werkes "Toleranz und Gewalt" des Professors für Kirchengeschichte Arnold Angenendt hat Lütz sein Werk "Der Skandal der Skandale - Die geheime Geschichte des Christentums" verfasst. Er diskutiert am Donnerstagabend im Wiener Kardinal König Haus mit Kardinal Christoph Schönborn und dem Philosophen Konrad Paul Liessmann zum Thema "Taugt das Christentum noch als geistiges Fundament Europas?" (Kardinal-König-Platz 3, 1130 Wien, 19 Uhr).
Quelle: kathpress