Staatsziel Wirtschaft: Bischöfliche Fachstelle lehnt Vorhaben ab
Auf Ablehnung stößt das Vorhaben der Regierung, die Verankerung des Wirtschaftsstandortes als Staatsziel in die Verfassung aufzunehmen, bei der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO). Die KOO spricht in ihrer Stellungnahme im Rahmen des Begutachtungsverfahrens davon, dass die geplante Aufnahme des Wirtschaftswachstums als Staatsziel zugleich eine Degradierung der darin enthaltenen anderen Zielen zu Subzielen bedeuten würde. Alle Ziele seien dann in ihrer Priorität austauschbar und gleichwertig.
Laut Regierungsvorhaben soll das Bundesverfassungsgesetz über Nachhaltigkeit, Tierschutz, umfassenden Umweltschutz, Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und Forschung ergänzt werden um folgenden Punkt: "Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort als Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung."
"Wenn dann alle im Gesetz erwähnten Aspekte gleichwertig zueinander abgewogen werden müssen, ist zu erwarten, dass Nachhaltigkeit, Umweltschutz und die Sicherstellung der Wasser - und Lebensmittelversorgung auf Dauer nachrangig bewertet werden", befürchtet dazu die KOO. Es werde nämlich den Behörden und Gerichten überlassen, welches der genannten Ziele sie in ihrer Entscheidung voranstellen.
Deshalb hält die KOO fest:
Das Bekenntnis der Republik zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen wird rechtlich eindeutig entwertet und die Steuerung und strategische Ausrichtung in Richtung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Politik geht abhanden.
Politik und allgemeines Handeln sollten sich aber am Ziel des Wohlbefindens der Menschen ausrichten. Wachstum trage laut OECD und ihren empirisch messbaren Daten ab einer gewissen Entwicklungsstufe nur zu einem kleinen Teil zum individuellen Wohlbefinden bei. Es erscheine daher kontraproduktiv, Wirtschaftswachstum in Österreich als Ziel festzuschreiben, um Wohlbefinden zu erhalten bzw. vermehren, hält die KOO fest.
Die bischöfliche Fachstelle erinnert daran, dass sich die österreichische Regierung zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (Agenda 2030) und des UN-Klimaabkommens von Paris verpflichtet hat. Eine an das Ziel des Wirtschaftswachstums gebundene Politik könne aber die in den genannten globalen Abkommen genannten Ziele nicht erreichen, "da sie den Ressourcenverbrauch damit keinesfalls in dem Ausmaß reduzieren kann, wie es geboten wäre".
Stattdessen wäre es dringend notwendig, eine konkrete Umsetzungsstrategie, in der Zeitplanung, Ziele und konkrete Maßnahmen zur Berücksichtigung der Agenda 2030 in allen einschlägigen internen und externen Politikbereichen zu erarbeiten. Abschließend hält die KOO fest: "Staatszielbestimmungen in der Bundesverfassung entfalten neben einer Bindungswirkung gegenüber dem Gesetzgeber und der Interpretationsgrundlage für Gerichte vor allem auch eine Signalwirkung nach außen. In Zeiten globaler Verteilungs- und Klima-Ungerechtigkeiten wäre eine Änderung wie die vorgelegte das völlig falsche Signal."
NGOs vermissen Nachhaltigkeit
"Entschiedene Ablehnung" kommt auch vom NGO-Bündnis "AG Globale Verantwortung". "Zukunftsfitte" Staatszielbestimmungen müssten der Nachhaltigkeit mehr Bedeutung geben und grundlegende Herausforderungen, wie sie in der Agenda 2030 und im Pariser Klimaabkommen formuliert sind, adressieren. Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit sollten nicht durch ein Staatsziel in der Verfassung festgeschrieben werden, "sondern in Verbindung mit sozialen, ökologischen und ökonomischen Faktoren sowie potentiellen internationalen Auswirkungen gesehen werden, damit sie langfristig zur Verbesserung und Sicherung der Lebensqualität beitragen können" hält die AG wörtlich fest.
Die "AG Globale Verantwortung" ist der Dachverband von 35 österreichischen NGOs, die in den Bereichen EZA und/oder humanitäre Hilfe tätig sind; darunter befinden sich auch viele kirchliche Organisationen.
Die kirchliche "ARGE Schöpfungsverantwortung" spricht sich in ihrer Stellungnahme insofern für eine Änderung des vorliegenden Entwurfs aus, als dass sich "im Blick auf künftige Generationen und all jene, die heute noch keine Stimme haben" die Republik Österreich zu einem "wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort für nachhaltige Entwicklung" bekennt. Dies müsse eindeutig zum Ausdruck gebracht werden.
Betriebsseelsorger befürchten Abwärtsspirale
Das Bestreben nach Verankerung des Wirtschaftswachstums in der Verfassung widerspreche dem Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, stellte der niederösterreichische Betriebsseelsorger Karl Immervoll fest.
Ihre Regierung beabsichtigt den Vorrang für einen Wirtschaftsstandort Österreich als Staatsziel in der Verfassung zu verankern. Wir meinen, dass Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Vorteil nur einer Seite fördern, notwendigerweise anderen Staaten Nachteile bringen.
Der Versuch, diese Nachteile auszugleichen, führe "zu einer Spirale nach unten und damit zur Entsolidarisierung von Staaten und Menschen", so Immervoll in einem im Namen der kirchlichen Initiative "Hingehen" unterzeichneten Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Statt dessen sollte sich die Regierung in Übereinstimmung mit dem Sozialwort "für gemeinschaftliche EU-Regelungen einzusetzen, um den für alle schädlichen Standortwettbewerb in Bezug auf Steuern, soziale und ökologische Regelungen durch Kooperation einzudämmen".
Quelle: kathpress