Diözese Graz-Seckau feiert 800 Jahre mit Großausstellungen
Die Diözese Graz-Seckau feiert ihr heuriges 800-Jahr-Jubiläum mit fünf spektakulären Großausstellungen an geschichtsträchtigen Schauplätzen. Zwei davon - "Glaube Liebe Hoffnung" im Kunsthaus Graz bzw. Kulturzentrum bei den Minoriten ("Kultum") sowie "Last & Inspiration" im Priesterseminar - sind am Donnerstag erst von den Kuratoren erläutert und abends feierlich eröffnet worden. Leitlinien bilden einerseits die Frage, welchen Wert Religion, Glaube, Spiritualität und deren Rituale in einer weitgehend säkularen Gesellschaft haben, andererseits der Blick auf die "Narrative", die die steirische Kirche in ihren acht Jahrhunderten ausmachten.
Für beide Ausstellungen konnten Werke prominenter Künstler gewonnen werden: Heimische Größen wie Arnulf Rainer, Günter Brus, Manfred Erjautz, Valie Export, Inge Morath, Hermann Nitsch, Franz West, weiters Stars der internationalen Kunstszene wie Luc Tuymans oder Marlene Dumas, aber auch Hermann Glettler, seit Dezember Bischof von Innsbruck und Gast der Eröffnungen am Donnerstag, sind vertreten. Der hauptverantwortliche Kurator des Diözesanjubiläums, "Kultum"-Leiter Johannes Rauchenberger war ebenso wie Barbara Steiner und Katrin Bucher für die Zusammenstellung der Schau verantwortlich; für die Ausstellung im Diözesanmuseum bzw. Priesterseminar mit einer "Außenstelle" im Mausoleum Kaiser Ferdinands II. waren Heimo Kaindl und Alois Kölbl Co-Kuratoren.
Vor dem Kunsthaus - dem architektonisch gewagten "friendly alien" im Grazer Stadtbild - verweist eine überlebensgroße Figur des Kapuzinerpredigers zur Zeit der zweiten Türkenbelagerung, Marco d'Aviano, auf Zeiten, in denen Kirche und Thron in Österreich eng verbunden waren. Im Inneren des blasenförmig gebauten Gebäudes zeigt sich auf zwei Etagen, dass es sich keinesfalls um eine "Propagandaausstellung" handelt, wie Kuratorin Steiner beim Presserundgang die Anerkennung eines überraschten Besuchers wiedergab.
Begonnen hätten die Planungen mit vier Vertreterinnen des Kunsthauses, die sich mit vier gegenübersitzenden Kirchenexperten rasch darüber einig waren, dass Schattenseiten der 800-jährigen Diözesangeschichte von Graz-Seckau und auch heutiges kritisches Hinterfragen nicht ausgeblendet werden dürfen. Ohne Nivellierung von weltanschaulichen Unterschieden habe man aber "mit Wohlwollen und Sympathie" Brückenschläge gesucht - zwischen Glaubenden und Religionsskeptikern, Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Kunst aus Österreich und dem Ausland, zwischen dem ältesten noch lebenden Künstler Hermann Nitsch (geboren 1938) und der jüngsten vertretenen Künstlerin Anna Baranowski (geboren 1983), wie Barbara Steiner erklärte. Das älteste gezeigte Kunstwerk ist ein romanischer tragbarer Altar aus Predlitz bei Murau, 14 Werke dagegen entstanden erst anlässlich der jetzigen Ausstellung.
"Glaube Liebe Hoffnung" bis heute populär
Die titelgebenden Göttlichen Tugenden "Glaube Liebe Hoffnung" sind laut Kuratorin Katrin Bucher hochaktuell: Die dafür stehenden Symbole Kreuz, Herz und Anker zählen zu den beliebtesten Tattoo-Motiven. Ursprünglich kirchlich geprägte Begriffe finden sich in der Populärkultur, in der Werbung oder in TV-Serien wieder. Die Werke der Ausstellung gliedern sich entlang von Begriffspaaren wie "Opfer und Ritual" oder "Schuld und Macht", oft wird ein Zugang aus der Vergangenheit mit einem aus der Gegenwart kontrastiert.
Highligts der Schau im Kunsthaus sind u.a. großformatige Schüttbilder Hermann Nitschs, die aus Stahl und Spiegelfolie gefertigte, Schuld reflektierende Buchstabenreihe "GUILT" der Venezianerin Monica Bonvicini und eine Installation des Polen Karol Radziszewski mit einer gekreuzigten "heiligen Kümmernis" bzw. Wilgefortis, deren Bart Assoziationen zu Conchita Wurst weckt.
Die Presseführung führte sodann ins nahegelegene "Kultum". Schmunzeln lässt dort die Installation "Sein oder online" der in Wien lebenden Schweizerin Anna Meyer samt "Smartphonemadonna" und Wortspielen wie "An ihren Daten sollt ihr sie messen". Der steirische Aktionskünstler und Maler Günter Brus ist als "Schmerzensmann" präsent, für Beklemmung sorgt eine Filmsequenz des Albaners Anri Sala über einen auf einer Kirchenbank immer wieder in sich zusammensackenden Greis.
Selbstkritischer Blick auf Machtgeschichte
Im Grazer Diözesanmuseum beginnt die Ausstellung "Last & Inspiration" mit Exponaten, die die Jahrhunderte lange Verschränkung von Macht und Religion veranschaulichen: Buchstäblicher "Fingerzeig" sind diesbezüglich zwei als Reliquien aufbewahrte Finger der Erzherzogin Maria Anna, der Gattin von Kaiser Ferdinand III.; makaber auch der verordnete "Sparsarg" des Aufklärer-Herrschers Joseph II. Eine "virtuelle Reise" durch eine 1.000-jährige Sakralkunst in der Steiermark zeichnet Besuche der Kuratoren Rauchenberger, Kaindl und Kölbl bei kirchen- und kunsthistorisch bedeutsamen Gotteshäusern auf; die "Hausherren" machen dabei jeweils Kulturgüter mit persönlichen Erinnerungen und Geschichten lebendig.
Dass die Steiermark - im 16. Jahrhundert schon flächendeckend protestantisch - wieder rekatholisiert wurde, ist - wie Museumsdirektor Heimo Kaindl erläuterte - einer verweigerten Unterschrift 1578 im ausgestellten Dokument "Brucker Libell" zuzuschreiben: Karl II. Franz von Innerösterreich wies damit das Begehren der protestantischen Stände zurück, ihre Konfession zu dulden. Eine Art Wiedergutmachung der heute ökumenisch vorbildlichen Steiermark stellt der einzige der Steiermark erhaltene reformatorische Flügelaltar aus Schladming dar. Wie in der Schau zu sehen ist, wurde an der Rückseite des Exponats das lutherische "allein durch Glauben" getilgt: das "allein" wurde nachträglich durchgestrichen.
Einen Besuch lohnt auch das nahe Kaiser-Mausoleum, wo Luc Tuymans, einer der bedeutendsten Maler der Gegenwart, in der Gruftkammer eine Wand mit einer Blume bemalte, deren Aussehen genmanipuliert erscheint. Sie stellt vor die Frage: Welche Gene wirken im historischen Gedächtnis weiter?
Kulturelle Akzente setzt die Diözese Graz-Seckau im Jubiläumsjahr mit drei weiteren Ausstellungen an markanten Orten der Steiermark: Am 24. April startet im Stift Admont die Schau "Schönheit & Anspruch", am 2. Mai in der Abtei Seckau "Umbruch. Geist & Erneuerung" und am 10. Mai auf Schloss Seggau "Grenze. Öffnung & Heimat". (Info: www.800-jahre-graz-seckau.at)
Quelle: kathpress