Glettler bei Ausstellungseröffnung: Erinnerung macht offen für Neues
Das 800-Jahr-Jubiläum seiner Heimatdiözese Graz-Seckau erinnert an die "Dynamik des Anfangs" der Kirche, gleichzeitig macht es im Vertrauen auf die Zukunft offen für Neues. Das hat der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler - vor seiner Übersiedlung nach Tirol Bischofsvikar in Graz - am Donnerstagabend vor 300 Gästen im Grazer Priesterseminar anlässlich der Eröffnung zweier Ausstellungen zum steirischen Diözesanjubiläum betont. Das Kunsthaus Graz ist gemeinsam mit dem Kulturzentrum bei den Minoriten ("Kultum") Schauplatz der Ausstellung "Glaube Liebe Hoffnung" mit Schwerpunkt zeitgenössische Kunst, im Priesterseminar und dem dort angesiedelten Diözesanmuseum wird die kirchenhistorisch ausgerichtete Schau "Last & Inspiration" gezeigt.
Hermann Glettler war als einer der Ideengeber im Vorfeld des 800-Jahr-Jubiläums-Festjahres in seine Heimat gekommen, er wies auf die damit verbundenen Brückenschläge zwischen Kirche und pluraler Gesellschaft hin. Es gehe nicht um eine "Musealisierung" des christlichen Glaubens, sondern im Gegenteil um dessen Dynamisierung. Der Bischof zitierte dazu aus dem jüngsten Schreiben "Gaudete et exsultate" von Papst Franziskus, wonach sich christliches Leben nicht in einem "Museum voller Andenken" abspiele, sondern die Kirche vertrauensvoll die "Überraschungen des Herrn" begrüßen solle.
In der modernen Pluralität "verlässliche Mitte" sowie "Zeichen und Werkzeug der Einheit" zu sein, "dem Neuen zu trauen", ohne die Vergangenheit zu "fetischieren" - das sieht Glettler - wie er sagte - als persönliches Programm wie auch jenes für die Kirche in der Gegenwart. Bei der Planung des Diözesanjubiläums sei man von Fragestellungen wie "Wo brauchen wir Grenzen?", "Ist Armut unfair?" oder "Was würdest du morgen zurücklassen?" ausgegangen, die Menschen auch jenseits des kirchlichen Binnenraums ansprechen sollen, erläuterte der Bischof im Grazer Priesterseminar. Dazu sollen im Verlauf des Jahres "Szenen" aus der Diözesangeschichte auf heutigen Bühnen an unterschiedlichen Orten der Steiermark zeitgemäß dargestellt werden.
Im Kunsthaus Graz hatte Glettler davor eine der drei titelgebenden Göttlichen Tugenden beleuchtet, denen die dortige Ausstellung gewidmet ist: "Glaube" bedeute Beheimatung in einer oft getriebenen Gesellschaft, gleichzeitig erfordere er auch immer wieder Aufbruch, also "Entheimatung". Glaube bestärke und gebe Sicherheit, mache aber auch sensibel für eigene Verletzlichkeiten und jene von anderen und ermutige zur "Schwäche für andere", wie der Bischof sagte. Mit der Kunst verbinde den Glauben, dass beide "nicht domestizierbar" seien, über das vordergründig Erfassbare hinausgreifen und in Tiefenschichten des Lebens führen. Und beiden - Kunst und Glaube - wohne ein kritisches Potenzial inne, "das nicht kastriert werden darf", so der selbst künstlerisch tätige Glettler.
Stolz auf die Offenheit der Stadt Graz
Der hauptverantwortliche Kurator des Diözesanjubiläums, "Kultum"-Leiter Johannes Rauchenberger, nannte es im Kunsthaus alles andere als selbstverständlich, dass ein Kirchenfest zum einem 800-Jahr-Jubiläum in einem Haus für Gegenwartskunst gefeiert wird. Die Ausstellung "Glaube Liebe Hoffnung" könne Anlass für Stolz auf die Offenheit der Stadt Graz und der Steiermark sein, damit werde gleichsam auch eine Ernte eingefahren, die vielen Pionieren zu verdanken sei. Rauchenberger erinnerte an die weltoffene Grazer Katholische Hochschulgemeinde, sein vom Künstlerpriester Josef Fink begründetes Kulturzentrum bei den Minoriten und auch an die früher von Hermann Glettler geleitete Grazer Pfarre St. Andrä, wo sich zeitgenössische Kunst mit sozialem Engagement verbindet.
Im Priesterseminar sagte Rauchenberger scherzend zum Ausstellungstitel "Last & Inspiration", dies sei keinesfalls als "last inspiration" (engl. für "letzte Inspiration") misszuverstehen; Glaube sei gerade nicht museal - "Religion ohne Gegenwart ist tot", sondern auf Zukunft ausgerichtet.
Motto "Zukunft säen"
Als Vertreter des im Ausland weilenden Grazer Bischofs Wilhelm Krautwaschl sagte Dompfarrer und Dompfarrer Heinrich Schnuderl im Priesterseminar, zum 800-Jahr-Jubiläum gebe es viele Gründe, auf das, was Glaubende und ihre Gemeinschaften, Pfarren, Orden, karitative Einrichtungen und Bildungsinstitute seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart in das Leben und die Kultur der Steiermark eingebracht haben, "stolz zu sein und sich damit zu identifizieren: 'das ist unsere Kirche'". Es gelte aber auch Fehlentwicklungen, Irrweg und Umwege wahrzunehmen, "wir wollen diese 'Last' nicht ignorieren oder leugnen", so Schnuderl.
Im Sinne von Papst Franziskus sehe die katholische Kirche in der Steiermark den ungeschönten Blick auf die Vergangenheit und die Fähigkeit, ihr gegenüber Stellung zu beziehen, als Voraussetzung, eine sinnvolle Zukunft aufzubauen. "Dieser Blick kann auch zur 'Inspiration' werden, betonte Schnuderl. "Darum haben wir für das Jubiläum das Motto 'Zukunft säen' gewählt." Erste und wichtigste Aufgabe sei es, "die Freude am Glauben zu erneuern - denn Christen werden nicht geboren, der Glaube muss immer wieder und neu verkündet werden". (Website zum Jubiläumsjahr: www.800-jahre-graz-seckau.at)
Quelle: kathpress