IGGÖ: "Symbolpolitik auf dem Rücken der muslimischen Minderheit"
In der aktuellen Kopftuchdebatte sieht die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) Grund zur Vermutung, dass hier "Symbol- und Verschleierungspolitik auf dem Rücken der muslimischen Minderheit in Österreich ausgetragen wird". In einer Stellungnahme am Mittwoch bekräftigte die Muslim-Vertretung ihre Ablehnung von "politischen Zwängen, Verboten oder Geboten" bei dem Thema und kündigte an:
Gegen diskriminierende Gesetze und Repressalien werden wir stets entschieden und mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln vorgehen.
Versuche, mit "politischen Islam" bzw. "Islamismus" in Verbindung gebracht zu werden, verurteilte die IGGÖ "auf das Schärfste". Demgegenüber werden in der Stellungnahme klare Trennlinien zwischen Staat und Religion gezogen: Die Islamische Glaubensgemeinschaft involviere sich nicht in parteipolitische Angelegenheiten, umgekehrt erwarte sie vonseiten der Politik "Achtung der Deutungshoheit unserer Organisation in Bezug auf den islamischen Glauben in Österreich". Das "freiwillige Tragen eines Kopftuches" sei Teil der Glaubenspraxis, hieß es. Die Auslegung der islamischen Glaubenslehre liege nicht in der Kompetenz der Politik oder Parteien, sondern stelle die "ureigene Aufgabe" der IGGÖ dar.
Ob und allenfalls wie eine Kopfbedeckung zu tragen ist, fällt in die Zuständigkeit dieser inneren Angelegenheiten.
Kinder seien "von religiösen Verpflichtungen ohnehin ausgenommen", wandte sich die IGGÖ gegen "jegliche politische Zwänge, Verbote oder Gebote gegenüber muslimischen Kindern". In der laufenden Debatte würden Kinder bedauerlicherweise "instrumentalisiert". Die Begründung, man würde durch ein Kopftuchverbot muslimische Mädchen bzw. Frauen vor Diskriminierungen schützen, "halten wir in weiten Teilen für unangebrachten Zynismus". Die IGGÖ kritisierte die "Intention einer weiteren Diskriminierung und Benachteiligung von MuslimInnen auf dem Bildungsweg bis hin zur Hochschule".
Als seit 1912 staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft fühle sich die Vertretung der Muslime "den österreichischen sowie europäischen Werten zutiefst verbunden". Die IGGÖ sei stets um den Dialog zur Verbesserung der Lebensumstände der Gläubigen in Österreich bemüht, "allerdings basiert der aktuelle Diskurs um die Bekleidungswahl der Musliminnen sichtlich nicht auf evidenzbasierten konstruktiven Ansätzen". Statt jener "oberflächlichen Politik, die sich seit einigen Jahren von antimuslimischen Ressentiments nährt", wünsche sich die IGGÖ "eine reflektierte, evidente und Minderheiten gegenüber sensible Art der Politik entsprechend unseren europäischen Normen und Werten".
Regierungsparteien gegen Diskriminierung
Dieser Klarstellung gingen IGGÖ-kritische Aussendungen der beiden Regierungsparteien voraus. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer bezeichnete Kopftücher bei Kindern als "keine innerislamische Angelegenheit, sondern ein gesellschafts- und integrationspolitisches Problem". Auch laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spiele die Schule eine besondere Rolle im Integrationsprozess. Eine erfolgreiche soziale Integration von Kindern habe Vorrang vor den Wünschen der Eltern, ihre Kinder im Sinne ihrer religiösen Überzeugung zu erziehen, erklärte der ÖVP-Politiker. "Es geht uns beim Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Volksschulen nicht darum, die Freiheit der Religionsausübung zu verletzen, sondern um den Schutz der Kinder vor Diskriminierung."
Dass die Islamische Glaubensgemeinschaft "Botschaften an der Grenze zum politischen Islam" predige, hatte davor FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus behauptet.
Es ist kein gutes Zeichen, wenn sich die offizielle islamische Vertretungsbehörde Österreichs dafür ausspricht, dass Mädchen schon im Kleinkindalter Kopftuch tragen dürfen und ihnen dadurch die Integration in unsere freie, westliche Gesellschaft erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird.
Österreich sei ein christlich geprägtes und aufgeklärtes Land, teilte Gudenus mit. Diese Werte und Sitten müssten auch von in Österreich lebenden Muslimen anerkannt werden. "Wer das nicht akzeptieren möchte, ist gerne eingeladen, seine Lebensformen in einem islamischen Land auszuleben", so der FPÖ-Politiker.
Quelle: kathpress