Soziologe: Angst vor "Überfremdung" durch Info aus zweiter Hand
Angst vor "Überfremdung" ist nicht dort am höchsten, wo auch der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund am höchsten ist. Nach den Worten des Soziologen Kenan Güngör entsteht solches Unbehagen dadurch, dass Informationen oft einseitig über Medien vermittelt werden, und dass es - sofern keine Begegnung zwischen Menschen stattfindet - keine Möglichkeit zur Ergänzung oder Korrektur des eingeprägten Bildes gibt. Durch ihren Fokus auf meist negative "Ereignisse" tragen Medien zu einer unverhältnismäßigen Wahrnehmung bei, sagte der Integrations-Experte mit kurdisch-türkischen Wurzeln am Samstag bei der Jahrestagung des Katholischen Bildungswerkes (kbw) der Diözese St. Pölten.
22 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben Migrationshintergrund; in Wien liegt dieser Anteil bei 42, in Niederösterreich bei 14 Prozent, wies Güngör hin. Gefilterte Information und Gefühle wie Kontrollverlust, Abstiegsängste oder Xenophobie wirkten sich aber hier wie dort aus, die Zusammensetzung der Gesellschaft sei dabei nachrangig. Freilich: Auch Begegnungen zwischen einander Fremden seien "nicht automatisch positiv - Begegnungen haben Potenzial". Güngors Rat: "Richten wir den Blick zuerst auf das, was funktioniert, das relativiert unsere Probleme". Auf Dauer sei nicht die gemeinsame Herkunft ein einigendes Band, sondern Interessen und Leidenschaften. "Wichtig ist, Brücken zu bauen."
Der Soziologe beleuchtete beim Thema Integration auch die Rolle von Gast und Gastgebern. Es spiele eine Rolle, "wer zuerst hier war", und: Der Gast soll demütig und dankbar sein; weicht sein Verhalten vom Erwarteten ab, komme es zu Verstimmungen.
Für Mut, "Kirche anders zu denken"
Der Grazer Pastoraltheologe Georg Plank ergänzte das Thema bei der kbw-Tagung im Blick auf pfarrliche Bildungswerke. Um das Gehörte in das tägliche Leben umsetzen und Veränderungen mitgestalten zu können gelte es Ideen zu entwickeln, "wie wir nicht Spielball gesellschaftlicher Veränderungen sind, sondern Mitgestalter", appellierte Plank an die versammelten Bildungsfachleute. Dazu gehöre auch der Mut, "Kirche anders zu denken". Es gelte die "Früchte" zu sehen, die schon vorhanden sind, und "vielleicht braucht es einen fachmännischen Schnitt der Reben, damit sie noch üppiger werden", regte der Gründer der Initiative "Pastoralinnovation" an. Pfarrliche Bildungswerke sollen - so Plank - als Katalysatoren wirken und Kirche als Ort entwickeln, "der Räume öffnet".
Im Rahmen der Jahrestagung gab es auch personelle Weichenstellungen: Angela Lahmer-Hackl wurde im Beisein des St. Pöltner Weihbischofs Anton Leichtfried als kbw-Obfrau für weitere fünf Jahre wiedergewählt. Dem neuen Vorstand gehören zehn weitere Personen an, darunter der Leiter der "PfarrCaritas" der Erzdiözese Wien, Rainald Tippow.
Quelle: kathpress