Neues Papstschreiben: Barmherzigkeit ist Weg zu Heiligkeit
Papst Franziskus hat in seinem neuen, am Montag veröffentlichten Apostolischen Schreiben "Gaudete et Exsultate" größere Aufmerksamkeit für die Bedürftigen und die soziale Gerechtigkeit im Leben der Katholiken gefordert. Die Herausforderungen für eine zeitgemäße Heiligkeit sei, "Jesus in den Armen und Elenden zu erkennen". "Wir können kein Heiligkeitsideal in Erwägung ziehen, das die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht sieht, wo einige feiern, fröhlich verbrauchen und ihr Leben auf die Neuheiten des Konsums reduzieren, während andere nur von außen zuschauen können und gleichzeitig ihr Leben weiter voran schreitet und armselig zu Ende geht", heißt es wörtlich.
In dem am Montag veröffentlichten 48-seitigen Schreiben mit dem Titel "Gaudete et exsultate - freut euch und jubelt" wirbt der Papst für eine "Heiligkeit der Menschen nebenan", der "Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes". Jeder könne mit Gottes Hilfe heilig sein, ob Priester oder Arbeiter, Eltern oder Eheleute, Ordensleute oder Politiker.
Das Lehrschreiben "Gaudete und Exsultate" ist in Form einer "Apostolischen Exhortation" wie zuvor etwa "Evangelii gaudium" (2013) und "Amoris laetitia" (2016) publiziert und weist auf den Mangel an Kohärenz einiger Christen in den ethischen und sozialen Positionierungen hin. Als Beispiel erwähnt der Papst die Flüchtlingsfrage:
Oft hört man, dass angesichts des Relativismus und der Grenzen der heutigen Welt beispielsweise die Lage der Migranten eine weniger wichtige Angelegenheit wäre. Manche Katholiken behaupten, es sei ein nebensächliches Thema gegenüber den 'ernsthaften' Themen der Bioethik. Dass ein um seinen Erfolg besorgter Politiker so etwas sagt, kann man verstehen, aber nicht ein Christ, zu dem nur die Haltung passt, sich in die Lage des Bruders und der Schwester zu versetzen, die ihr Leben riskieren, um ihren Kindern eine Zukunft zu bieten.
Das Dokument fordert die Gemeinden zudem auf, eine wirksame Verteidigung des Lebens in allen seinen Phasen zu fördern.
Die Verteidigung des ungeborenen unschuldigen Lebens zum Beispiel muss klar, fest und leidenschaftlich sein, weil hier die Würde des menschlichen Lebens, das immer heilig ist, auf dem Spiel steht und es die Liebe zu jeder Person unabhängig von ihrer Entwicklungsstufe verlangt.
Es gehe aber auch um die Heiligkeit des Lebens der Armen: "Aber gleichermaßen heilig ist das Leben der Armen, die schon geboren sind und sich herumschlagen mit dem Elend, mit der Verlassenheit, der Ausgrenzung, dem Menschenhandel, mit der versteckten Euthanasie der Kranken und Alten, denen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, mit den neuen Formen von Sklaverei und jeder Form des Wegwerfens", so der Text.
Bergpredigt und Barmherzigkeit
In die Mitte des Dokuments stellt der Papst im dritten Kapitel die Seligpreisungen der Bergpredigt und schreibt: "Sie sind gleichsam der Personlausweis des Christen." Der "große Maßstab" für echte Heiligkeit ist dabei gelebte Barmherzigkeit. Dieser zentrale Begriff im Pontifikat verweist auf das 25. Kapitel des Matthäusevangeliums als einen Schlüssel des geistlichen Lebens. Jesus führt dort die Basis des göttlichen Urteils auf das zurück, was jeder für den anderen getan hat.
Wenn ich einem Menschen begegne, der in einer kalten Nacht unter freiem Himmel schläft, kann ich fühlen, dass dieser arme Wicht etwas Unvorhergesehenes ist, das mir dazwischenkommt, ein Nichtsnutz und Gauner, ein Störenfried auf meinem Weg, ein lästiger Stachel für mein Gewissen, ein Problem, das die Politiker lösen müssen, und vielleicht sogar ein Abfall, der den öffentlichen Bereich verschmutzt. Oder ich kann aus dem Glauben und der Liebe heraus reagieren und in ihm ein menschliches Wesen erkennen, mit gleicher Würde wie ich, ein vom Vater unendlich geliebtes Geschöpf, ein Abbild Gottes, ein von Jesus Christus erlöster Bruder oder Schwester. Das heißt es, Christ zu sein.
So der Papst: "Oder kann man etwa die Heiligkeit abseits dieses konkreten Anerkennens der Würde jedes menschlichen Wesens verstehen?"
Der Text weist auf den Fehler hin, die Forderungen des Evangeliums von der eigenen "persönlichen Beziehung" zu Gott zu trennen und das konkrete Christentum als eine "Art von NGO" zu deuten. Der Papst richtet sich auch gegen das Misstrauen jener Menschen, die das soziale Engagement der anderen als "oberflächlich, weltlich, säkularisiert, immanentistisch, kommunistisch oder populistisch halten, oder es relativieren, als würde es wichtigere Dinge geben". Manche dächten, "dass wir Gott die Ehre nur mit dem Gottesdienst und dem Gebet geben oder wenn wir lediglich einige ethische Vorschriften beachten - in der Tat kommt der Beziehung zu Gott der Vorrang zu -, und vergessen dabei, dass das Kriterium für die Beurteilung unseres Lebens vor allem darin besteht, was wir den anderen getan haben".
Der Papst richtet sich weiters gegen religiöse Überheblichkeit, kirchlichen oder technologischen Machbarkeitswahn ebenso wie geistige Starrheit, Konsumsucht und egoistische Trägheit. Der Weg zur Heiligkeit des Christen sei "ein ständiger Kampf", schreibt Franziskus. Dieser gelte nicht nur rein weltlichen Einstellungen und eigenen Schwäche, sondern auch gegen den Teufel, der nicht nur ein Mythos sei. "Der Teufel vergiftet uns mit Hass, Traurigkeit, Neid, mit Lastern", schreibt Franziskus.
Verlangt seien Wachsamkeit und ständige geistliche Unterscheidungen, was der Sinngehalt des eigenen Leben ist und wie dieser in einer jeweiligen Situation zu leben ist. Dazu gelte es zu beten, auf das Evangelium und die Kirche zu hören sowie auf Gottes Geduld zu vertrauen.
Quelle: kathpress