Dachau: Erinnerung an ersten Gefangenen-Transport aus Österreich
Mit einem deutsch-österreichischen ökumenischen Gedenkgottesdienst in Dachau bei München haben Christen beider Länder am Sonntag an das Eintreffen des ersten NS-Gefangenentransports aus Österreich nach dem so genannten "Anschluss" vor 80 Jahren erinnert. "Wie macht man das - ein Mensch zu bleiben, wenn einem alles Menschliche genommen wird, bis hin zum Namen, und jede Menschliche Regung verboten ist?", erinnerte der Wiener evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker in seiner Predigt in der Versöhnungskirche der Gedenkstätte des KZ Dachau an das Schicksal der von den Nationalsozialisten Verfolgten, Gefangengenommen und Getöteten.
Im Beisein des emeritierten katholischen Linzer Bischofs Maximilian Aichern mahnte Bünker heute wachsam zu sein, wenn die Menschenwürde bedroht werde, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus wieder gehäuft auftreten und Hass und Verachtung geschürt werde. "Demokratie braucht den Respekt, die Achtung und Toleranz der Andersdenkenden, sie darf dem Extremismus, der Intoleranz, der Herabwürdigung und dem Hass keinen Platz geben", betonte der lutherische Bischof, der auch Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) ist.
Auf politischer Ebene, in der Ökumene, sowie im Verhältnis der Kirchen zum Judentum sei nach der Katastrophe von Nationalsozialismus, Zweitem Weltkrieg und Konzentrationslagern "aus Blut und Tränen Neues entstanden", erinnerte Bünker. Unter anderem seien daraus 1948 "die Menschenrechte erwachsen, die uns heute ein gutes Zusammenleben für alle ermöglichen".
Neben dem Gedenken an die Ereignisse vor 80 Jahren schlug Bischof Bünker in seiner Predigt auch den Bogen zur jüngst wieder aufgeflammten Debatte, ob mit der biblischen Bergpredigt Politik gemacht werden könne oder nicht. Für den lutherischen Bischof ist dabei klar, dass die Bergpredigt, "eine Grundrichtung angibt, an der sich auch diejenigen orientieren können, die Tag für Tag politische Sachentscheidungen zu treffen haben".
200.000 Menschen inhaftiert
Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland waren am 1. April 1938 am Wiener Westbahnhof 150 Menschen, unter ihnen Juden und politisch Verfolgte aus der konservativen "Vaterländischen Front" sowie der oppositionellen Sozialdemokraten und Kommunisten, von der Kriminalpolizei an die SS übergeben worden. Tags darauf kamen sie in dem bereits 1933 gegründeten KZ Dachau, dem ersten durchgängig betriebenen nationalsozialistischen Konzentrationslager, an. Von den insgesamt rund 200.000 in Dachau inhaftierten Menschen starben bis 1945 nach unterschiedlichen Angaben etwa 30.000 bis 40.000 Personen.
Am ökumenischen Gedenkgottesdienst wirkten neben den Bischöfen Bünker und Aichern auch Pfarrer Alfons Einsiedl - sein Großvater Alois Renoldner war 1938 als Gendarmerie-Oberst aus Österreich ins KZ Dachau verschleppt worden - sowie der evangelische Pfarrer der Dachauer Versöhnungskirche, Kirchenrat Björn Mensing, und der katholische Seelsorger an der Gedenkstätte Dachau, Pastoralreferent Ludwig Schmidinger von der Erzdiözese München und Freising mit.
Neben dem Gottesdienst widmeten sich in Dachau mehrere Führungen der Erinnerung an den Österreicher-Transport, in der Versöhnungskirche ist zudem eine Ausstellung über "Österreichischen Widerstand gegen Hitler" zu sehen. Am deutsch-österreichischen Gedenkgottesdienst nahm auch eine ökumenische Gruppe aus Tirol teil.
Quelle: kathpress