Lackner: "Gespräch zwischen Staat und Religion dringend geboten"
Mit dem Verhältnis von Staat und Kirche beschäftigen sich die 7. "Seggauer Gespräche", die derzeit im südsteirischen Seggau Kirchenvertreter und Experten zusammenbringt. "Das Gespräch zwischen Staat und Religion ist heute dringend geboten", so der Salzburger Erzbischof Franz Lackner in seinem Grußwort bei der internationalen Tagung. Der ehemalige steirische Weihbischof rekurrierte auch auf eine Begegnung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Verantwortlichen der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften, bei der dieser sie dazu ermutigt habe, sich bei gleichzeitiger prioritärer Anerkennung der demokratischen Rechtsordnung zu wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen aktiv zu Wort zu melden.
Die Tagung in Seggau steht heuer unter dem Motto "1918-2018: 100 Jahre Trennung von Staat und Kirche". Gerade im heurigen Gedenkjahr würden die Gespräche durch ihren Rückblick auf die Geschichte einen besonderen Impuls für die Zukunft geben, betonte der steirische Gerichtsvikar Gerhard Hörting in seinen einleitenden Worten in Vertretung von Bischof Wilhelm Krautwaschl. Er unterstrich die Bedeutung eines solchen Symposiums, über tagesaktuelle Momentaufnahmen hinaus größere Zusammenhänge zu reflektieren. Besonders der Islam stelle heute die Frage der Verhältnisbestimmung von Staat und Religion in einer neuen Weise, zumal in Hinblick auf deren Sichtbarkeit und ihren Ort in der Öffentlichkeit. Hörting:
Der Mensch als homo religiosus ist nicht nur ein Individuum, sondern auch eine Person, wie Papst Benedikt XVI. bei seiner Ansprache im Deutschen Bundestag gesagt hat.
Die Aufklärung sei eine illegitime Tochter des Christentums, die diesem oft peinlich gewesen wäre, sagte der scheidende evangelische Superintendent Hermann Miklas in Hinblick auf das ambivalente Verhältnis von Staat und Religion in der Moderne.
Im sozialen Bereich waren die Kirchen dem Staat als Trendsetter voraus, etwa bei den Themen Migration, Bildung oder Gesundheit. In ethischen Fragen hingegen setzt der Staat Benchmarks, die auch für uns schwierig sind.
Hier gelte es mit der Kraft der Argumentation eine angemessene Antwort zu finden, so der steirische Superintendent.
Kritik am Zwang zu Religion
Der Vortrag des Luzerner Kirchenhistorikers Markus Ries beschrieb unter dem Leitwort "Die Kirchen und das Ende der Monarchien" die von Licht und Schatten geprägte Geschichte des Verhältnisses von Staat und Religion seit der Französischen Revolution 1789 in einem europäischen Kontext. "Zur DNA der Revolution gehörte die Kritik am Zwang zu Religion." In einer Reaktion auf die schrecklichen Gräuel im Verlauf der Französischen Revolution seien eine antidemokratische, monarchistische Gegenbewegung zunehmend mit religiösem Gedankengut verbunden worden.
Die Spannung zwischen Liberalismus und staatlichem wie nationalem Autoritarismus kennzeichnete dementsprechend die Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts im Allgemeinen und die Kirchengeschichte dieser Epoche im Besonderen. Erst das Zweite Vatikanische Konzil hätte mit seiner Hinwendung zu Demokratie und Religionsfreiheit einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der katholischen Kirche gebracht.
Mühevoller Weg zur Demokratie
Mit Mühe versuchte die katholische Kirche in Österreich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ihre Rolle in der Demokratie zu finden, so die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler in ihrem Vortrag "Der Weg der katholischen Kirche Österreichs von 1918 bis 2018". Nach dem Ende der Monarchie und damit des Bündnisses von Thron und Altar sei eine Phase des parteipolitischen Katholizismus entstanden, die stark defensiv war und in Verbindung mit der Unterstützung des autoritären Ständestaates stand. Mit dem Konkordat von 1933/34 schien "für die Bischöfe der kulturpolitische Friede in Österreich erreicht".
Obwohl bereits mit dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland die Unterdrückung begann, "unterzeichnete am 18. März 1938 der Episkopat in Wien die fatale 'Feierliche Erklärung', bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 für den bereits vollzogenen 'Anschluss' zu stimmen." Die Katholiken reagierten auf diese Erklärung sowohl mit Zustimmung als auch mit deutlicher Ablehnung. Die Kirche wurde in weiterer Folge unterdrückt und war Terror und Schikanen ausgesetzt. "Zu einem direkten Widerstand der österreichischen Kirchenleitung gegenüber der NS-Diktatur oder zu einer Kritik am Herrschaftssystem kam es nicht, die Ausnahme bildeten nur einzelne Kirchenmitglieder", sagte Sohn-Kronthaler.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs definierte die Kirche mit dem "Mariazeller Manifest" von 1952 ihre Rolle in der Gesellschaft als eine "freie Kirche in einem freien Staat", mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und besonders mit dem Episkopat von Kardinal Franz König habe sie sich in einer neuen Weise der modernen und pluralen Welt geöffnet, so Sohn-Kronthaler.
"Seggauer Gespräche" seit 2006
Die "Seggauer Gespräche" wurden 2006 auf Initiative des nunmehr emeritierten steirischen Diözesanbischofs und ehemaligen Europareferenten der Österreichischen Bischofskonferenz, Egon Kapellari, ins Leben gerufen. "Die Veranstaltung im heurigen Gedenkjahr ist ein wichtiger interdisziplinärer Beitrag zu unserer gemeinsamen Verantwortung für eine humane und vitale Gesellschaft", so der Grazer Theologe Peter Rosegger, der im Krankenhaus der Elisabethinen tätig ist.
Das Dialogforum findet alle zwei Jahre im südsteirischen Seggau statt und ist eine Kooperationsveranstaltung der Diözese Graz-Seckau, der Erzdiözese Salzburg, der Evangelischen Diözese Steiermark, des Instituts für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz und des Instituts für Europarecht und Internationales Recht der Wirtschaftsuniversität Wien.
Quelle: kathpress