Kirchliche Experten gegen Verbot
Das Regierungsvorhaben eines Kopftuchverbots für Mädchen in Volksschulen und Kindergärten wird von zahlreichen kirchlichen Experten mit Skepsis gesehen. Den Einsatz für Integration von Migranten zurückzufahren und dieselbe dann über Verbote erreichen zu wollen sei "nicht glaubwürdig", urteilte Markus Ladstätter, geschäftsführender Vorsitzender der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, am Donnerstag im Interview mit "Kathpress". Er selbst teile zwar den Standpunkt, dass kleine Mädchen keine Kopftücher tragen sollten, das Ziel könne jedoch kaum über den Verbotsweg erreicht werden, denn: "Ein Verbotsgesetz verhindert Integration."
In der Lehrerausbildung werde das Kopftuch längst thematisiert, so der Professor an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule (KPH) Graz, gelte es die Lehrer doch auf die religiöse Vielfalt vorzubereiten. Unter den Ausbildnern machten dabei sowohl die Religionswissenschaftler als auch die Muttersprachler aus muslimischen Kulturen deutlich, dass im Islam das Kopftuch für Mädchen vor der Pubertät nicht vorgesehen und somit auch "kein religiöses Erfordernis" sei. Die meisten islamischen Kollegen sowie auch die islamische Schulaufsicht seien "sehr kritisch" gegenüber dem Kopftuch für kleine Mädchen; wo dies vorkomme, suche die Fachinspektorin für den islamischen Religionsunterricht das Gespräch mit den betroffenen Eltern um zu verdeutlichen, dass die Praxis übertrieben sei.
Sr. Beatrix Mayrhofer zur Diskussion:
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Bemühungen, dass junge Mädchen kein Kopftuch tragen, sehe er sehr positiv, "doch nur wenn sie auf Freiwilligkeit beruhen", betonte Ladstätter. Als besten Weg dazu sehe er die Überzeugungsarbeit durch die islamische Community selbst, die es womöglich zu verstärken und zu fördern gelte. Dass hingegen durch Vorschriften das Gegenteil bewirkt werde, zeige der Iran auf abschreckende Weise vor: Als Reaktion auf ein früheres Kopftuch-Verbot sei dort den Frauen das Kopftuch vorgeschrieben worden, wogegen nun rebelliert werde. "Und jetzt sind wir selbst drauf und dran, Frauen Bekleidungsvorschriften zu machen", so der Religionswissenschaftler. Radikalisierende Tendenzen drohten durch den anvisierten Weg gefördert zu werden.
Kindergärten: Keine positiven Folgen
"Keine absehbaren positiven Auswirkungen" ortete Elmar Walter von der St. Nikolaus-Kindertagesheimstiftung in der Erzdiözese Wien in den Regierungsplänen zum Kopftuch. Kindergärten seien per se eine "große Chance" für die Integration und könnten viel zu entspanntem Zusammenleben beitragen. "Wenn ich aber zuerst von Verboten spreche, mache ich eine Türe zu. Ein Kopftuchverbot würde wohl eher zu Trotz- und Jetzt-erst-Recht-Reaktionen führen", so der Geschäftsführer der Stiftung mit rund 800 Mitarbeitern und 6.000 Kindern. Bisher spiele im Kindergarten das Kopftuch bei Kindern "überhaupt keine Rolle" und werde, wenn von Mitarbeiterinnen getragen, von den beteiligten Pfarren oder Eltern kaum kritisiert.
Gespräche mit den Verantwortlichen und Eltern seien immer der bessere Weg, verwies Walter auf Erfahrungen jener Kindergärten der Stiftung, in denen der Anteil nicht-christlicher Kinder zwei Drittel beträgt. Auch an diesen Standorten gelinge es, einen christlich geprägten Kindergarten zu führen.
Wir informieren die Eltern laufend etwa darüber, wie und warum man die christlichen Feste feiert, und feiern diese gemeinsam, da es die Themen auch in den anderen Kulturen gibt. Wenn etwa beim Martinsfest das Teilen im Vordergrund steht, wird das auch von Andersgläubigen verstanden und honoriert. Feierkultur kann somit zum Treffpunkt werden.
Orden: Debatte fragwürdig
In von Ordensgemeinschaften geführten Volksschulen sei das Kopftuch bisher kein Thema gewesen, berichtete Rudolf Luftensteiner vom Bildungsreferat der Ordensgemeinschaften auf "Kathpress"-Anfrage. "Einerseits tragen muslimische Mädchen Kopftücher so gut wie nie vor der Religionsreife, andererseits verwenden auch unsere Ordensschwestern einen Schleier." Erst bei Schülerinnen in höheren Schulen gebe es Diskussionen und Regelungen bezüglich des Kopftuches, etwa wenn es im Turnunterricht zur Vorbeugung von Verletzungsgefahr abgenommen werden muss.
Entsprechend kritisch beurteilte der Experte für Ordenschulen die aktuelle Politdebatte. Eindeutig gehöre zur Identität eines Menschen auch die Religion, wofür im Islam das Kopftuch jedoch eine eher untergeordnete Rolle spiele. Etliche Szenarien, mit denen derzeit argumentiert werde, halte er für "fragwürdig", so Luftensteiner, zudem gelte: "Eine simplifizierende politische Diskussion befeuert nur die Entwicklung, dass das Kopftuch immer mehr zu einem Kampfzeichen wird."
Dennoch kämen auch die Ordensschulen nicht umhin, auf den "schnellen Kulturwandel" der Gegenwart zu reagieren. "Die Präsenz von Flüchtlingen, die an Verhaltensformen wie etwa das Tragen eines Kopftuches gewohnt sind, fordert alle Schulen heraus. Wichtig ist es deshalb, auf Rollen und den Umgang untereinander zu achten", betonte der Leiter des Bildungsreferates. Verstärkt werde daher auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau Wert gelegt und nicht akzeptiert, wenn etwa Väter nicht mit Direktorinnen reden. "Ziel ist, den Jugendlichen dabei zu helfen, in unsere Kultur hineinzukommen."
"Wer soll das durchführen?"
Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Österreichischen Frauenorden, bestärkte am Donnerstag ihre am Vortag gegenüber "Kathpress" geäußerte Kritik an einem Kopftuch-Verbot. "Ich bin dagegen, Kinder einzuwickeln, doch ich bin auch absolut dagegen, dass sich der Staat hier einmischt", stellte die oberste Vertreterin der Ordensfrauen in einem Pressegespräch in Wien klar. Sie zähle darauf, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft selbst ihren Mitgliedern ausreichend stark und gut begründen könne, was für ein Kind gut sei und was nicht. Der Staat habe einzig die Pflicht auf die Achtung der Menschenwürde hinzuweisen, wenn eine Religion diese missachte.
Ein Verbot würde auch für die anderen Religionen Konsequenzen nach sich ziehen, denn eine Sonderbehandlung einer einzigen Glaubensgemeinschaft sei nicht zulässig, so Sr. Mayrhofer weiter. Besonderes Augenmerk richtete die Ordensvertreterin zudem auf die Durchführung eines etwaigen Verbotes. "Die politisch Verantwortlichen, die meinen so ein Gesetz beschließen zu müssen, sollten sich einmal in die Wiener Schulen gehen, bei denen sie glauben, dass Mädchen mit Kopftuch kommen, und diesen dann selbst das Kopftuch abnehmen. Und dann schauen, was passiert. Wer soll denn das praktisch durchführen - und mit welchen Konsequenzen?", so die Frauenorden-Präsidentin.
Fachleute uneins
Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte am Mittwoch die Ausarbeitung eines "Kinderschutzgesetzes" bis Sommer in Aussicht gestellt, das ein Kopftuchverbot für Mädchen im Kindergarten und in der Volksschule beinhalten soll. Während sich auch mehrere Oppositionsparteien grundsätzlich verhandlungsbereit erklärten, fielen unter Experten die Reaktionen von zustimmend bis ablehnend aus. Klare Reglungen könnten muslimische Mädchen vor dem Druck, nicht nur zu Hause das Kopftuch zu tragen, entlasten und die Schule zu einem "geschützten Raum" machen, befand etwa der Soziologe Kenan Güngör am Mittwochabend in der Ö1-Sendung "Religion aktuell". Das Kopftuch sei "nicht kindgerecht", mache Kinder durch das Schützen vor den Blicken der Männer zu "sexualisierten Objekten".
Vorbehalte äußerten hingegen neben den Religionsvertretern - allen voran aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft - auch der Verfassungsjurist Heinz Mayer und der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak: Ein Kopftuchverbot sei ein klarer "Eingriff in die Religionsfreiheit", erklärten beide übereinstimmend in den "Salzburger Nachrichten" (Donnerstag). Zulässig wäre der Eingriff laut Mayer nur dann, wenn das Kopftuch immer wieder zu größeren Problemen in Schulen oder Kindergärten führen würde. Das sei jedoch nicht der Fall.
Quelle: kathpress