Ordensfrau: "Christen können sich vom Islam einiges abschauen"
Christen könnten sich vom Islam und von den Muslimen einiges abschauen. Als Beispiele dafür hat die deutsche Ordensfrau Melanie Wolfers am Dienstag in den "Salzburger Nachrichten" (SN) Versuche genannt, das alltägliche Leben aus dem Glauben heraus zu gestalten - durch regelmäßiges Gebet, Fasten, Beachten verschiedener Reinheitsgebote und Sorge um die Armen ihrer Glaubensgemeinschaft. Beeindruckt sei sie auch davon, "dass für viele Muslime der Glaube an Gott im Mittelpunkt ihres Lebens steht", sagte die Salvatorianerin.
Die Existenz Gottes ist für sie so selbstverständlich wie die Luft, die wir atmen.
Die in der Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen in Wien lebende Wolfers legte jüngst gemeinsam mit dem Priester und Dichter Andreas Knapp das Buch "Religion als Sprengstoff? Was man heute über Islam und Christentum wissen muss" vor. "Menschen brauchen Bräuche und Regeln", betonte sie in den SN. "Keine Gemeinschaft kommt ohne regelmäßige Kontakte oder Treffen aus. Das gilt auch für unsere Gottesbeziehung." Freilich gebe es im traditionellen Islam eine "Betonung der äußeren Form, verbunden mit einer hohen Sozialkontrolle", wies Wolfers hin. Dies zeige eine weniger ausgeprägte Wertschätzung des Individuums als im Christentum. Für Jesus stehe die innere Haltung im Zentrum, er habe einen Gott verkündet, "der nicht auf äußere Riten, sondern auf das Innere des Menschen schaut".
Aber auch aus der Kirchengeschichte ist laut der studierten Theologin und Philosophin bekannt, dass strenge Vorschriften etwa zum Fasten oder für den Gottesdienstbesuch dazu führen können, "dass sie zwar äußerlich eingehalten, aber innerlich nicht mitgetragen werden". Wenn Regeln gar den Eindruck vermittelten, man könne oder müsse sich die göttliche Liebe durch das Einhalten von Vorschriften verdienen, "dann verzerren sie den biblischen Glauben", gab Wolfers zu bedenken.
Es gehört zum Sündenfall des Christentums, dass die Botschaft Jesu verzerrt wurde. Mit der Vorstellung eines strafenden Gottes versuchte man, Regeln durch Lohn und Strafe einzuschärfen und Macht auszuüben.
Auch im Koran gebe es einen starken Akzent auf die richtige Lebensführung mit entsprechender Belohnung bzw. Bestrafung als Konsequenz. Christen könnten sich von Muslimen jedoch abschauen, dass diese ihre heilige Schrift sehr gut kennen und oft lange Passagen des Koran auswendig wissen. Christen täte es gut, wenn sie sich mit der Bibel, vor allem mit den Evangelien, mehr beschäftigten, betonte Wolfers. Im Unterschied zum Koran verstünden Christen die Bibel aber nicht als wörtlich von Gott diktierten Text. "Sie ist vielmehr eine Sammlung von Zeugnissen, wie Menschen Gott begegnet sind."
"Früher Mohammed" predigte Toleranz
Differenziert äußerte sich die 46-jährige Ordensfrau über Mohammed. Während seiner Zeit in Mekka habe der Prophet den Glauben an Gott gepredigt und ein gerechteres Handeln unter den Menschen gefordert. "Damals vertrat er auch eine große Toleranz gegenüber Christen und Juden." Später in Medina habe Mohammed politische und militärische Macht erlangt, "er wirkte als Oberhaupt der islamischen Gemeinschaft und als Kriegsherr". Die "Botschaft des frühen Mohammed" kann nach der Überzeugung Wolfers' für das heutige Verhältnis zwischen Muslimen, Juden und Christen von großem Wert sein.
Jedenfalls aber sei die Weise, wie Muslime sich untereinander verbunden fühlen, anregend dafür, "die christliche Botschaft ernst zu nehmen: Alle Menschen sind Schwestern und Brüder". Dies wird - so Wolfers - konkret im Einsatz für Schwächere oder im Respekt gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religionen.
Quelle: kathpress