Landau fordert einmal mehr umfassende Pflegereform
Eine umfassende Pflegereform fordert Caritas-Präsident Michael Landau. In einem ZiB2-Interview am Donnerstagabend plädierte er dazu für "hinaus aus der Sozialhilfelogik, hinein in eine solidarische Finanzierung" - so wie bei anderen Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder altersbedingtem Ausstieg aus dem Berufsleben. Ob man Pflege nach einem Versicherungsmodell oder aber steuerfinanziert absichere, sei letztlich eine politische Entscheidung, so Landau. Er nannte es "unwürdig", dass seit Monaten so diskutiert werde, als wären alte, pflegebedürftige Menschen vor allem ein Kostenproblem für die Republik.
Derzeit gebe es einen "Kosten-Poker" zwischen Bund und Ländern zu Lasten der Betroffenen und Angehörigen, nahm der Caritas-Präsident Bezug auf das derzeitige Tauziehen rund um den Pflegeregress: Die Finanzreferenten der Länder fordern von Finanzminister Hartwig Löger mehr Geld als die im Staatshaushalt veranschlagten 100 Millionen Euro zur Kompensation der Kosten, die den Ländern durch den - kurz vor der Nationalratswahl im Parlament beschlossenen - Wegfall des Pflegeregresses entstehen.
Den Regress abzuschaffen war aus der Sicht Landaus richtig: Davor habe man durch den Zugriff auf Ersparnisse und Vermögen ein "Sozialfall" werden müssen, um bei Pflegebedürftigkeit Unterstützung zu bekommen. Allerdings sei diese Reform, die derzeit zu einem Ansturm auf Pflegeeinrichtungen führt, "nicht zu Ende gedacht" worden, gab der Caritas-Chef zu bedenken. Die bloße Abschaffung des Regresses könne eine umfassende Pflegereform nicht ersetzen.
Politik muss "umfassend ansetzen"
Als Säulen einer solchen bezeichnete Landau die Entlastung pflegender Angehöriger, eine regelmäßige Wertanpassung des Pflegegeldes sowie bessere Einstufungen bei der Bedürftigkeit, weiters bundesweit einheitliche Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsstandards und schließlich Augenmerk auch auf den Hospizbereich und Demenzerkrankungen. Man müsse "umfassend ansetzen", so Landau.
Im Blick auf jüngste Gespräche mit Finanzminister Löger und mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sagte Landau: "Es wird schon zugehört, das freut einen"; es gebe guten Willen bei allen Beteiligten, zu einer Lösung zu kommen, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen und der Würde des Menschen orientiert." Landau äußerte sich optimistisch, "dass dieses großes Thema endlich angegangen wird, wir haben's fast verschlafen in Österreich".
Caritas-Forderung seit 15 Jahren
Die Vorstöße und Mahnungen der Caritas im Bereich Pflege haben - wie ein Blick in das "Kathpress"-Archiv zeigt - eine lange Tradition: Bereits vor mehr als 15 Jahren, im Jänner 2003 forderte die Caritas einen "Nationalen Aktionsplan" - verbunden mit der ganz aktuell klingenden Anmerkung: "Eine wesentliche Aufgabe der neuen Bundesregierung werde sein, dass Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam nach Lösungen suchen, um die Betreuung und Pflege älterer Menschen 'langfristig abzusichern'." Kurz vor Weihnachten 2005 bezeichnete Landau die Pflege als "die große soziale Herausforderung der Zukunft" und forderte Entlastung für pflegende Angehörige. Und vor fast genau zehn Jahren, am 21. März 2008, lautete ein "Kathpress"-Titel: "Pflege: Landau fordert österreichweites Konzept bis spätestens Herbst".
Für leistungsfähigen Sozialstaat
"Genervt" von der Behauptung, "dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten können", hat sich Caritas-Präsident Michael Landau in der Osterausgabe des Nachrichtenmagazins "profil" geäußert. "Das Gegenteil trifft zu: Wir können uns nicht leisten, ohne ihn zu sein", replizierte Landau auf die Frage, ob NGOs wie die Caritas mit ihrem "Alarmismus" nicht mitschuld an der "Grundstimmung" haben, dass alles immer schlechter wird. Landau relativierte auch den Hinweis darauf, dass die Armut in Österreich im vergangenen Jahrzehnt gesunken sei: "Das hängt davon ab, welche Zahl man heranzieht." Es gebe 220.000 Menschen in Österreich, die ihre Wohnung nicht angemessen arm halten können.
Österreich müsse sich mit seinen Sozialausgabe nicht verstecken, räumte Landau ein. "Aber mir fällt auf, wie rasch etwa das Thema Panama Papers aus der Debatte verschwunden war - und wie jetzt schon seit vielen Monaten über die Bezieher von Mindestsicherung diskutiert wird." Hier werde auf die "kleinen Leute, die keine Lobby haben", Druck ausgeübt; andere könnten sich besser wehren.
"Lassen uns politisch nicht instrumentalisieren"
Auf die "profil"-Anmerkung, viele Presseaussendungen der Caritas würden sich wie solche von den Grünen lesen, reagierte Landau mit der Klarstellung: "Wir sind eine kirchliche Hilfsorganisation und lassen uns politisch nicht instrumentalisieren, von niemandem." Zuletzt sei eine Caritas-Mitarbeiterin ÖVP-Abgeordnete geworden, und auch eine bei der FPÖ engagierte Betriebsrätin habe es schon gegeben. Landau: "Für uns zählt, ob am Ende der Legislaturperiode die Schlange vor den Suppenbussen oder vor Obdachlosenunterkünften kürzer oder länger geworden ist." Und in der "Gruft" in Wien würden die verteilten Mahlzeiten stetig ansteigen.
Landau widersprach auch dem Eindruck, "dass die Caritas jeden ins Land lassen möchte". Das sei "völlig falsch", es sei "selbstverständlich richtig, Klarheit an den Grenzen zu haben", nahm er Bezug auf die Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge. Grenzsicherung sei jedoch eine staatliche Aufgabe; die Caritas dagegen habe die Aufgabe, Menschen in Not nicht im Stich zu lassen. Als kirchliche Organisation poche die Caritas auf zwei Dinge: "Wer Schutz sucht, muss Schutz finden können. Und die Grenzen Europas dürfen keine Grenzen des Todes sein." Im Blick auf bereits im Land befindliche Zuwanderer merkte Landau kritisch an: "Mir erschließt sich nicht, wie Integration besser werden soll, wenn man jetzt die Unterstützung zurückfährt."
Auch eine zuletzt in der "Presse" losgetretene Diskussion über das "Unternehmen" Caritas mit einem Jahresumsatz von 900 Millionen Euro war Thema des "profil"-Interviews. Landau dazu: "Die Caritas ist kein Unternehmen, sondern eine gemeinnützige Organisation. Es geht uns nicht um die Maximierung von Gewinn, sondern um die Maximierung von Lebenschancen." Die Caritas engagiere sich sowohl mithilfe von Spenden als auch durch öffentliche Leistungsabgeltung. "Wir sollten nicht so tun, als wäre es unanständig, wenn Freiwillige sich engagieren und gleichzeitig die öffentliche Hand ihren Beitrag leistet", sagte Landau. "Beides ist für eine gelingende Gesellschaft notwendig."
Quelle: kathpress