Ökumenischer Rat tagt im Zeichen des Gedenkens an 1938
Die Besinnung auf die Ereignisse des Jahres 1938 bildete den Themenschwerpunkt der jüngsten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Der lutherische Bischof Michael Bünker blickte auf die Entwicklung der evangelischen Kirche in Österreich zwischen 1918 und 1938 zurück und legte dabei auch die Hintergründe deren "nationalsozialistischen Infiltrierung" in der Zwischenkriegszeit dar, hieß es in einer Aussendung am Freitag. ÖRKÖ-Pressesprecher Erich Leitenberger zeichnete die Umstände nach, wie es zur "Feierlichen Erklärung" der katholischen Bischöfe vom 18. März 1938 und das mit "Heil Hitler" unterzeichnete Begleitschreiben Kardinal Theodor Innitzers an NS-Gauleiter Josef Bürckel kam.
Bischof Bünker bezeichnete die Errichtung des - katholisch ausgerichteten - Ständestaates 1933 als markanten Einschnitt für die Evangelischen in Österreich: Sie verstärkte das Streben nach einem "Anschluss" an das Deutsche Reich als dem "Mutterland der Reformation", die Evangelischen gerieten in immer größeren Gegensatz zum Staat und der Mehrheitsgesellschaft und zunehmend auch ins Fahrwasser des Nationalsozialismus. Drei tiefere Ursachen haben nach den Worten Bünkers dazu geführt, dass die evangelische Kirche falschen Heilsrufen folgte: "Sie war politisch verblendet, deutsch-national imprägniert und antisemitisch vergiftet." Alle drei Faktoren hätten "das Evangelium verdunkelt".
Der lutherische Bischof berichtete von einem wenig bekannten Detail: Am 15. März 1938 hatte der evangelische Pfarrer von Gosau - und damalige De-facto-Bischof der evangelischen Kirche in Österreich -, Hans Eder, im Wiener Hotel Imperial eine Art "Damaskus-Erlebnis"; mit dem NS-Parteiabzeichen stattete er Adolf Hitler einen Besuch ab. Gegen Ende der Begegnung wurde er zum Fenster geführt und sah, wie Kardinal Innitzer mit seiner Begleitung auf dem Weg zum Hoteleingang von NS-Sympathisanten angepöbelt und bespuckt wurde. Hitlers Bemerkung dazu: "Sehen Sie, so empfangen die Wiener ihren Kardinal." Für Eder sei dies eine traumatische Erfahrung gewesen, sagte Bünker. Im Dezember 1938 habe er in sein Tagebuch geschrieben: "Ich zweifle nicht mehr daran, dass nun die evangelische Kirche daran kommt. Ich sehe nur auf allen Linien Zusammenbrüche und auf den Trümmern erhebt sich eine geschlossene Front des Antichristentums".
Wie es zum "Heil Hitler" kam
Pressesprecher Leitenberger erinnerte daran, dass der "Heil Hitler"-Gruß auf Wunsch des Gauleiters Bürckel dem Begleitschreiben Innitzers zur Wahlempfehlung der österreichischen. Bischöfe für den "Anschluss" nachträglich beigefügt wurde. Dem Wiener Kardinal, der Bedenken äußerte, sei erklärt worden, er könne auf diese Weise den "Führer", der in Wien eine Friedenserklärung für Kirche und Staat abzugeben plane, günstig stimmen.
Innitzer habe seit seinem Amtsantritt 1932 eine entschieden "judenfreundliche" Haltung eingenommen, betonte Leitenberger. Im Dezember 1940 habe sich der Kardinal dann entschlossen, eine zunächst als privater Verein, dann als Caritas-Institution geführte, aber ständig von der Gestapo bedrängte Hilfsaktion für Christen jüdischer Herkunft persönlich unter seine Fittiche zu nehmen. Mit dem lapidaren Satz "Mehr als erschlagen können sie mich nicht" habe der Kardinal trotz der Pressionen des Regimes der "Erzbischöflichen Hilfsstelle für nichtarische Katholiken" Räume im Erzbischöflichen Palais zur Verfügung gestellt und diese in jeder Weise unterstützt.
In der Diskussion über die beiden Referate wurde mehrfach darauf verwiesen, dass die gemeinsame Erfahrung der Verfolgung positive Auswirkungen auf die Ökumene der getrennten Christen gehabt habe. Der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) verwies darauf, dass es umso wichtiger sei, heute gemeinsam für Frieden und Menschenrechte einzutreten und sich gemeinsam der Märtyrer jener dunklen Zeit zu erinnern.
Für "Regierungsbeauftragten gegen Antisemitismus"
Der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Martin Jäggle, betonte bei der Vollversammlung die Notwendigkeit, die übliche öffentliche Verurteilung des Antisemitismus mit "praktischen Konsequenzen" zu verbinden. Er plädierte dafür, dass in Österreich ein Regierungsbeauftragter gegen Antisemitismus eingesetzt wird. Als wichtige Initiative bezeichnete Jäggle die Broschüre "Antisemitismus im Alltag", die gemeinsam von der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Ökumenischen Rat erarbeitet wird.
Quelle: kathpress