Steyler Missionar: Mehr Kirchenmitglieder nicht Ziel von Mission
Das Verständnis der katholischen Kirche von Mission hat sich nach den Worten des Steyler Missionars P. Franz Helm in den vergangenen 100 Jahren deutlich gewandelt. Während einst die Gewinnung neuer Kirchenmitglieder im Vordergrund stand, sei die wichtigste Motivation heute der Einsatz für geglücktes Leben und "eine bessere Welt - theologisch ausgedrückt für das Reich Gottes", so der Ordensmann. P. Helm äußerte sich in einem Gespräch mit dem Direktor des Wiener Weltmuseums, Christian Schicklgruber, über historische Verbindungen der Einrichtung mit dem Steylerorden, geht aus einer Aussendung vom Donnerstag hervor.
Missionare hätten anderen ihren Glauben aufgedrängt und fremde Kulturen zerstört: So laute heute ein heute weit verbreitetes Urteil über die früheren kirchlichen Missionsaktivitäten in anderen Kontinenten, sagte P. Helm. Der genauere Blick zeige jedoch, dass Missionare wie etwa Steyler-Gründer Arnold Hanssen ihre Erfahrungen auch der Wissenschaft und für die Volksbildung zur Verfügung stellten. Ziel sei gewesen, den Menschen in Europa "aus fremden Kulturen bekannte Kulturen zu machen" und die Wertschätzung für letztere zu steigern.
Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil seien kirchliche Missionare vor allem von der Überzeugung geprägt gewesen, eine Erlösung sei nur durch das Evangelium möglich. "Die Taufe galt als Rettung vor der Hölle. Es war also ein Einsatz der Nächstenliebe, wenn Missionare alle Gefahren des Reisens auf sich nahmen, um 'Unerlöste' zu erlösen und ihnen das ewige Heil zu bringen", erklärte Helm.
Heute sei die Veränderung, die der Missionar bezwecken wolle, anderer Natur: Es gehe nicht mehr um die Bekehrung, sondern um die "Mithilfe, dass das Leben glückt". Missionare sähen sich als "Mitarbeiter unter anderen, die sich dafür einsetzen, dass das Leben in dieser Welt gerechter, würdevoller und friedlicher wird, dass Beziehungen heilen, dass Menschen einen Sinn finden und ihr Leben heiler wird, man könnte dazu auch sagen: heiliger", so der Missionswissenschaftler. Bei Begegnungen mit Menschen anderen Glaubens versuche er darüber zu reden, was jedem Gesprächspartner heilig sei.
Europa sah sich als Nabel der Welt
Sowohl Ethnologen als auch Missionare seien vom Interesse an den Menschen in anderen Erdteilen beseelt, waren sich Helm und sein Gesprächspartner Schicklgruber einig. Freilich treffe auch zu, dass beide Berufsgruppen noch im frühen 20. Jahrhundert Europäer als Spitze der Entwicklung und andere Kulturen als weniger entwickelt gesehen hätten. Noch heute sei diese Einstellung kaum überwunden, befand der Weltmuseums-Direktor; als Reiseleiter höre er oft gut gemeinte Kommentare von Reisenden, die ein "implizit überlegenes Selbstbild gegenüber der Gastgeberkultur" zeigten.
Viel Verbindendes haben die Kulturanthropologie sowie das Missionswesen jedoch auch aufgrund ihrer Geschichte, besonders in Österreich: Jene vier Steyler Missionare, welche zu Beginn des 20. Jahrhunderts die sogenannte "Wiener Schule" der Ethnologie gegründet hatten - dies waren P. Wilhelm Schmidt (1868-1954), P. Wilhelm Koppers (1886-1961), P. Martin Gusinde (1886-1969) und P. Paul Schebesta (1887-1967) - hätten zur Entwicklung des Faches Bedeutendes beigetragen, hob Schicklgruber hervor.
Dabei gebe es laut dem Kulturanthropologen sowohl Licht wie auch Schattenseiten: P. Gusinde habe sich etwa einst dagegen eingesetzt, dass eingewanderte Schafzüchtern die Ureinwohner der Feuerland-Inseln töteten. Hingegen habe P. Schmidt teils Beobachtungen seiner Mitbrüder ignoriert, wenn diese seiner These, Monotheismus und Monogamie gehörten zur Urkultur des Menschen, widersprachen. Dennoch sei der Beitrag der "Wiener Schule" zur Ethnologie kaum zu überschätzen, weshalb ihr das im Oktober 2017 neu eröffnete Weltmuseum Wien einen seiner 14 Räume widmet. (www.weltmuseumwien.at)
Quelle: kathpress