
Schönborn: Kirchenspaltung von 1054 war ein komplexer Vorgang
Kardinal Christoph Schönborn hat den offiziellen Beginn der Kirchenspaltung zwischen Westkirche und Ostkirche durch gegenseitige Bann-Verhängung am 16. Juli 1054 als heute nicht mehr relevant bezeichnet. "Die historische Forschung zeichnet von den Vorgängen von 1054 und ihren Folgen heute ein viel komplexeres Bild als früher", so der Wiener Erzbischof in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Mittelmeer, wohin?", das seine März-Nummer der am 17. März eröffneten Schallaburg-Ausstellung zu "Byzanz und der Westen" gewidmet hat.
Die Bannflüche seien 1965 feierlich "aus dem Gedächtnis der Kirche getilgt" worden, "als wären sie nie dagewesen", erinnerte Schönborn. 1975 habe Papst Paul VI. dann einen eindrucksvollen Kniefall vor Metropolit Meliton von Chalkedon vollzogen und von einer baldigen Eucharistiegemeinschaft gesprochen. "Die Bannflüche von 1054 spielen heute keine Rolle mehr. Paul VI. hat damals davon gesprochen, dass eine gemeinsame Eucharistiefeier nahe sei. Aber bis dahin wird es noch großer Anstrengungen bedürfen. Letztlich wird dieses Ziel ein Geschenk Gottes sein", zeigte sich der Kardinal realistisch.
Am 7. Dezember 1965 hatten der damalige Ökumenische Patriarch Athenagoras I. und Papst Paul VI. die bei der Kirchentrennung von 1054 ausgesprochene gegenseitige Verdammung für unwirksam erklärt. Der Schritt gilt als ökumenischer Meilenstein.
In dem Doppelinterview für "Mittelmeer, wohin?" äußerte sich auch der Wiener griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios Kardamakis zu den Ereignissen von 1054 und 1965. "Obwohl der Akt von 1965 nicht den ersten Versuch dargestellt hat, war er doch eine mutige Entscheidung von beiden Seiten, eine gemeinsame Zukunft zu suchen, und somit gewissermaßen grundlegend für den ökumenischen Dialog heute", betonte er. Zu erinnern sei, dass es "zwar 1.000 Jahre der Trennung, aber ebenso 1.000 Jahre des Zusammenlebens" gegeben habe. 1965 sei eine neue Periode eröffnet worden. "Die Zeit der Trennung sollten wir nicht vergessen, uns aber voll auf die lange Epoche der Einheit der Kirchen konzentrieren", so Kardamakis.
"Reue, Vorsatz, Bekenntnis, Wiedergutmachung"
Schönborn wies darauf hin, dass der seit mehr als 50 Jahren geführte Dialog auch zeige, "dass im Osten das historische Bewusstsein viel lebendiger ist als bei uns". Die geschichtlichen Fakten würden sozusagen als gegenwärtig empfunden. Papst Johannes Paul II. habe das in seiner "Großen Vergebungsbitte" vom ersten Fastensonntag des Jahres 2000 die "Reinigung des Gedächtnisses" genannt. "Dieser Aufgabe müssen wir uns immer wieder neu stellen", sagte der Kardinal: "Vergeben ist notwendig, aber wir können Vergebung nicht durch Vergessen erlangen. Im Grunde geht es darum, sich von den Schritten des Bußsakraments inspirieren zu lassen und sie auf gesellschaftlicher Ebene zu vollziehen: Gewissenserforschung, Reue, Vorsatz, Bekenntnis, Wiedergutmachung, soweit das möglich ist."
Kardinal und Metropolit hoben beide die pioniermäßige Ökumene in Österreich hervor. Sie erwähnten die Gründung der Stiftung "Pro Oriente" 1964, die Verabschiedung des ersten westeuropäischen Orthodoxengesetzes 1967, den Einsatz Kardinal Königs und der "Mutter der Ökumene" Christine Gleixner, die Metropoliten Tsiter und Staikos, die Patriarchenbesuche, die Religionsunterrichts-Kooperation und die gemeinsame Ausbildungsschiene über die KPH Wien/Krems, die Kirchenübergaben in Wien - sowie die bevorstehende Weihe des ersten österreichischen Klosters orthodoxen Klosters in St.Andrä/Zicksee. Metropolit Arsenios dazu wörtlich: "Die Diözese Eisenstadt und deren Bischof Ägidius haben uns ein Grundstück geschenkt, damit wir ein orthodoxes Kloster bauen. Erfreulich und positiv ist, dass Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel dieses Projekt gesegnet haben."
Schönborn hob die Notwendigkeit hervor, dass die Kirchen gemeinsam auftreten, denn "wir leben Tür an Tür, und wir haben ein gemeinsames Anliegen". Katholische und orthodoxe Christen "möchten den Menschen von heute, den vielen Suchenden, die gute Nachricht des Evangeliums bringen, mit ihnen in einen Dialog treten".
die Ausstellung "Byzanz & der Westen. 1000 vergessene Jahre" zu sehen. Die Schau zeichnet die Entwicklung der zutiefst vom orthodoxen Christentum geprägten byzantinischen Kultur nach, die von der Kontinuität des römischen politischen und religiösen Systems, aber auch des Lebensgefühls im oströmischen Reich gekennzeichnet war, während im Westen des römischen Imperiums der Einbruch der Germanenstämme zu dramatischen Veränderungen führte.
Schau ist bis 11. November geöffnet
Die Ausstellung "Byzanz & der Westen. 1.000 vergessene Jahre" auf der Schallaburg bei Melk (NÖ) wurde am 16. März eröffnet und schließt am 11. November. In der Ausstellung geht es um die Jahre zwischen 395 und 1453, als Konstantinopel von den Osmanen erobert wurde. Das später - erst in der Zeit der Renaissance - mit dem Titel "Byzanz" bezeichnete Oströmische Reich bildete tausend Jahre hindurch den Gipfelpunkt der christlichen Zivilisation.
Die Ausstellung in der Schallaburg zeigt hochrangige Kunstwerke und bedeutende archäologische Funde aus namhaften Sammlungen wie dem Louvre, der Schatzkammer von San Marco in Venedig oder dem Israel Museum in Jerusalem. Nach der Plünderung Konstantinopels im Kontext der Kreuzzüge gelangten unzählige Reliquien in den Westen, und auch Teile des Wiener Domschatzes sind byzantinischer Herkunft. Auf der Schallaburg ist ein einzigartiges Kreuznagelreliquiar aus dem Domschatz Essen ebenso erstmals in Österreich zu bestaunen wie ein aufwendig gestaltetes Kreuzreliquiar aus dem ungarischen Esztergom.
Info: www.schallaburg.at