Pastoraltheologe Zulehner: Pfarren sollen "gastfreundlich" sein
Pfarrgemeinden sollen "gastfreundlich" sein und Menschen einladen, das Evangelium ein Stück weit mitzugehen, auch wenn diese nicht immer hundertprozentige Katholiken sind. Dazu hat der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner bei einem Vortrag über die "Zukunft der Pfarren" aufgefordert, der er auf Einladung der Pastoralen Dienste der Diözese St. Pölten in St. Georgen/Ybbsfelde (NÖ.) hielt. Der bekannte Theologe und Buchautor sprach sich gegen ein "Alles oder Nichts" aus. Die Lebensrealitäten seien heute unendlich bunt; und wer in die Kirche gehe, tue das freiwillig.
Um in Zeiten großer Skepsis gegenüber großen Institutionen wie der Kirche einladend zu wirken, müssten Christen auskunftsfähig sein und quasi "auf einem Bein stehend sagen können, was uns ausmacht", so Zulehner. Pfarren seien viel zu viel mit Strukturen beschäftigt, sie sollten sich wieder verstärkt an den Inhalten ausrichten. Es gelte zu überlegen, was das Christstein ausmache und dies dann auch zu kommunizieren. Ziel solle es sein, jedes Jahr ein paar neue Christen dazuzugewinnen, ermutigte der Theologe.
Zulehner verwehrte sich dagegen, dass der Islam schuld an der derzeit mangelnden Attraktivität und Kraft der Kirche sei. Er erinnerte an die bekannte Aussage der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf Überfremdungsängste mit der Rückfrage reagierte: "Was hindert uns daran, Christinnen und Christen zu sein und in die Kirche zu gehen? Niemand!" Gegenüber dem Islam gelte es die Relationen im Auge zu behalten, wies der Religionssoziologe hin: Zwei Drittel hierzulande seien Christen, nur vier Prozent Muslime. Der Islam sei auch nicht stärker als andere Religionen und nach Europa zuwandernde Muslime würden sich - wie Studien zeigten - rasch säkularisieren.
Viel zu viel Angst in Europa
Der emeritierte Wiener Pastoraltheologe versuchte auch Ängste vor Migration zu nehmen. Eine deren Ursachen sei, dass die westliche Welt Waffen in Krisenländer schicke und somit kriegerische Konflikte anheize. Armut und ökologische Katastrophen werden nach Zulehners Einschätzung auch in Zukunft für große Flüchtlingswellen sorgen. In diesem Zusammenhang äußerte er Stolz auf die Kirchen und Pfarren, weil sich in den letzten Jahren viele so engagiert um Flüchtlinge und deren Integration kümmerten. Diese Heimatvertriebenen seien keine Wirtschaftsmigranten wie etliche Prominente, die aus Steuergründen in andere Länder ziehen, sondern geflohen, um zu überleben.
In Europa ortet Zulehner viel zu viel Ängste, wogegen andere Weltregionen wie China voll Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft blickten. "Experten sagen, dass Angst böse macht, sie führt die Einzelnen zu Gewalt, Lüge und Gier und politisch führt sie zu Korruption, Krieg und Terror", warnte der Theologe. Scharf kritisierte er jene, die eine "Politik der Angst" machten und zum Beispiel Flüchtlingshelfer bewusst als "Gutmenschen" schlechtredeten.
Auch Jesus habe Angst gehabt, verwies Zulehner auf die Passionsgeschichte. Aber er habe sich rückgebunden an Gott gewusst "und konnte dadurch lieben, hoffen und glauben". Christen hätten eben dieses "Grundgeschenk" bekommen, so Zulehner: "Gottvertrauen. Das ist der Königsweg."
Quelle: kathpress