Papst Franziskus wünscht sich jugendliche Propheten
80 Prozent Arbeitslosigkeit und abhängig von Eltern und Wohlfahrt; 100 theoretische Lebenswege und keine Entscheidung; industrielle Revolution 4.0, Smartphones und Schweigen in der Familie; Gewalt, Drogen, Menschenhandel; entfremdet von der Kirche und kein Unverständnis für ihre Haltungen: Es ist eine breite Palette von Lebenswelten und Erfahrungen, die junge Menschen aus aller Welt bei der derzeit in Rom tagenden Jugend-"Vorsynode" dem Papst, Kardinälen und anderen Kirchenverantwortlichen präsentieren.
Das einwöchige Treffen von mehr als 300 internationalen Delegierten - unter ihnen auch die von der Kirche in Österreich entsandte Theologiestudentin Eva Wimmer - dient der Vorbereitung für die Weltbischofssynode zum Thema "Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung". Mit Berufung ist in diesem Fall jede grundlegende Lebensentscheidung junger Menschen gemeint. Bevor sich darüber im Herbst Bischöfe austauschen, sollen junge Menschen selbst zu Wort kommen. Viele Studenten, auch Seminaristen und Ordensleute, Jugendseelsorger und Verbandsmitarbeiter. Auch Angehörige anderer Religionen und Nichtreligiöse sind dabei.
"Wir sind die Generation der Veränderungen, des Internets, der Sozialen Medien; die Generation der Unsicherheit", fasste Annelien Boone bei der Auftaktveranstaltung im Beisein von Papst Franziskus eine vorsynodale Studie aus Belgien zusammen. Boone verwies auch auf einen Befund, der auf viele Länder Europas zutrifft: In Belgien würden heutzutage nicht einmal mehr die Hälfte der Kinder getauft. Die Jugendlichen wüssten kaum noch etwas über die Kirche, seien zugleich aber offen und neugierig für den Glauben, "einfach weil sie wenig darüber wissen".
Angela Markas, eine irakischstämmige Australierin, sprach über fehlende kulturelle Identität, psychische Stabilität als eines der größten Probleme Heranwachsender weltweit und die zunehmende Unzufriedenheit junger Katholiken mit Aussagen ihrer Kirche zu Fragen über Sexualität, Frauen oder "Homo-Ehe". Cao Huu Minh Tri aus Vietnam verwies auf einen wachsenden Atheismus, der mit guten Lebensbedingungen einhergehe. Gebildete junge Katholiken würden Gott mitunter nur noch als Philosophen betrachten. In einigen asiatischen Ländern sei zudem Gewalt drängendes Problem für Jugendliche, als weitere Sorgen formulierte der junge Vietnamese Abtreibung, Teenager-Schwangerschaften und eine zunehmende Zahl an Scheidungen.
"Wirbel" machen
Eine deutsche Studentin forderte, die Kirche müsse bereitstehen, junge Menschen zu begleiten. "So viele sind bei wichtigen Lebensentscheidungen unentschieden, weil immer noch etwas Besseres kommen könnte", sagte sie. Der jungen Journalistin und Theologin Alina Oehler aus Deutschland ist die Rolle der Frau in der Kirche wichtig. Auch wenn das Klischee von der "Bastion alter Männer" nicht mehr ganz zutreffe, müsse doch etwas geschehen, damit nicht noch mehr Frauen die Kirche verlassen.
Ihr zweites Anliegen sind spirituelle Erfahrungen. Dass junge Menschen der normalen Liturgie fernbleiben und stattdessen zu Events wie "Nightfever", in eine tridentinische Liturgie gehen oder zu Freikirchen, sind für sie bedenkenswerte Tendenzen. Forderungen nach besserer Verständlichkeit oder nach Veränderung kirchlicher Traditionen und Aussagen in einer postmodernen Internetwelt kommen ebenso aus Amerika oder Simbabwe.
Sollten sich die Vorsynoden-Teilnehmer die bekannte Aufforderung des Papstes zu Herzen nehmen, "Wirbel" zu machen, dann wird in diesen Tagen am Stadtrand von Rom ein großes Fass aufgemacht. Die Bischöfe werden bei ihrer Synode im Herbst einiges zu schlucken haben, wenn die Absichtserklärungen ernst gemeint sind. Dabei geht es nicht allein um klassische Streitthemen. Die Fragen einer chinesischen Ordensfrau oder eines ukrainischen Priesterkandidaten zu Ausbildung und geistlicher Reife angesichts der vielen Kulturen und Milieus sind ebenso auf dem Tableau der Versammlung zu finden.
Nun Beratungen in Sprachzirkeln
Bis Mittwochmittag wird in rund 20 Sprachzirkeln diskutiert - angefüttert mit dem, was rund 15.000 für die Vorsynode registrierte Internetnutzer weltweit zusätzlich via Facebook beisteuern. Österreich-Vertreterin Wimmer diskutiert in einer vierzehnköpfigen englischsprachigen Gruppe mit Jugendlichen aus Russland, den USA, Indien, Australien oder Frankreich. Spannend machten die Diskussionen dabei nicht nur die verschiedenen nationalen Hintergründe, sondern auch die Vielfalt aus Katholiken, einem Atheisten und einer Muslimin, schilderte sie in einem Blogeintrag auf der Seite der Katholischen Jugend Österreich.
Nach den Beratungen in den Sprachzirkeln sollen bei der Vorsynode bis Samstag ein Video und ein Abschlussdokument entstehen, das dem Papst am Palmsonntag für die Bischöfe mitgegeben wird. "Redet freimütig und offen", hatte Franziskus eingangs gesagt. "Ich versichere euch, dass euer Beitrag ernst genommen wird." Und er untermauert sein Versprechen mit einem Satz des Propheten Joel aus dem Alten Testament:
Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen.
Quelle: kathpress