Theologe Kuschel übt scharfe Kritik an kirchlichem Missions-Fokus
Mit einer scharfen Kritik am derzeit kirchlich wieder verstärkt in den Fokus gerückten Missions-Begriff hat der emeritierte Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel aufhorchen lassen:
Wer Mission will, will weder Dialog noch Toleranz, der will in letzter Konsequenz das Verschwinden des Glaubens des je Anderen und die weltweite Durchsetzung der eigenen als der einzig 'wahren Religion.
So Kuschel bei einem Vortrag am Freitag in Salzburg. Der Dialog stelle in diesem Zusammenhang ein bloßes Instrument der Missionierung dar und sei nicht als Gespräch auf Augenhöhe zu werten.
Kuschel äußerte sich im Rahmen der Tagung "Das Dialogische Prinzip - Aktualität über 100 Jahre", die am 8.-9. März an der Universität Salzburg stattfand. Referenten waren neben Kuschel u.a. der frühere Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und die deutsche Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann.
"Der interreligiöse Dialog bleibt Herausforderung der Religionen", so Kuschel weiter. Ein "bloßer Austausch von Sachinformationen" werde diesem Anspruch nicht gerecht. "Echte Religionsgespräche" seien vielmehr "das Gegenteil von Scheingesprächen, die in zwei Monologen bestehen". Er forderte deshalb einen "echten Dialog der Religionen", "eine echte Zwiesprache und zwar von aufgeschlossener Person zu aufgeschlossener Person." Die Frage nach der Wahrheit sollte dabei nicht ausgeklammert werden, es gehe schließlich darum, "aus der Perspektive des jeweils eigenen legitimen Glaubenszeugnisses heraus die Existenz des anderen vor Gott mit zu denken".
Ein Dialog unter den monotheistischen Religionen müsse dabei zugleich von einer "theozentrischen Selbstrelativierung" geleitet sein, denn:
Auch wer als Jude, Christ oder Muslim die Wahrheit seines Glaubens bezeugt und bezeugen muss, weiß zugleich, keine Religion hat die ganze Wahrheit.
In dieser Erkenntnis liege der Beginn eines "interreligiösen Lernens": Das Sehen des anderen mit den Augen des Glaubens müsse daher erklärtes Ziel eines echten Dialoges zwischen den Religionen sein.
Prof. Karl-Josef Kuschel lehrte bis 2013 Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Seit 2012 ist er Kuratoriumsmitglied der "Stiftung Weltethos". 2015 wurde er in den Stiftungsrat des Börsenvereins zur Vergabe des jährlichen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels berufen. Er ist zudem Präsident der Internationalen Hermann-Hesse-Gesellschaft.
Quelle: kathpress