Schönborn präzisiert nach Kritik Haltung zur Sparpolitik
Auf die "große Aufregung", die seine Äußerungen zur Sparpolitik der Regierung ausgelöst haben, hat jetzt Kardinal Christoph Schönborn reagiert. In einer Stellungnahme "habe ich das Ganze etwas ausführlicher dargestellt - auch, warum Staatsschulden unsozial sind", schrieb er am Freitag auf der Website der Erzdiözese Wien. Er habe von Opfern gesprochen, zu denen "die Gesellschaft (nicht die Armen!)" aufgerufen sei. Aus seiner Sicht sei auch das Schuldenmachen "unsozial und ungerecht" und werde "auf dem Rücken der Armen ausgetragen", erklärte Schönborn. Zugleich gelte ebenso:
Auf dem Rücken der Ärmsten zu sparen, ist unsozial und ungerecht.
Er sei der Caritas dankbar und unterstütze sie voll und ganz, wenn sie sich "dafür einsetzt, dass nicht bei den Ärmsten als erste gespart wird", stellte der Kardinal einen Konflikt mit der katholischen Hilfsorganisation in Abrede. Es sei aber klar, dass gespart werden muss - "und dass Sparen nicht ohne Opfer geht". Dafür brauche es seiner Ansicht nach zweierlei, so Schönborn: "Erstens die Solidarität der Reichen mit den Armen, der Starken mit den Schwachen." Wer mehr als genug zum Leben hat, habe auch eine größere Verantwortung und müsse bereit sein, "etwas an die abzugeben, denen es am Nötigsten fehlt".
Und zweitens braucht es - so der Wiener Erzbischof weiter - einen breiten öffentlichen Diskurs über die Frage, wie die Lasten fair verteilt werden können. Ein solcher Diskurs brauche konstruktive Kritik, gute Vorschläge und ein Gesprächsklima, in dem ein Dialog möglich ist. "Ein Eingraben in Fundamentalopposition würde der Sache nicht dienen", warnte Schönborn vor Polarisierungen. Er plädierte für eine Abrüstung der Worte, um einen guten Dialog führen zu können, an dessen Ende ein sozialer und gleichzeitig sparsamer Staat steht.
"Aber warum soll überhaupt gespart werden?", fragte der Kardinal. Schulden würden die soziale Leistungsfähigkeit des Staates für lange Zeit einschränken, und sie seien auch eine "unsoziale Umverteilung von unten nach oben": Denn von den Staatsschulden profitierten "jene, die reich genug sind, dem Staat Geld borgen zu können und die dafür dann die Zinsen bekommen". Zurückzahlen müssten die Schulden letztlich "unsere Kinder". Es gelte somit die Frage zu stellen:
Wollen wir wirklich immer weiter auf Kosten der nächsten Generation leben?
Schuldenlast schwächt Sozialsystem
Kardinal Schönborn erinnerte an das Jahr 1970, in dem die ÖVP-Alleinregierung Klaus der nachfolgenden SPÖ-geführten Regierung Kreisky ein schuldenloses Österreich übergeben habe. Heute dagegen sei der Schuldenstand so hoch, dass der Staat jährlich 6,5 Milliarden Euro allein an Zinsen bezahlen müsse: "6,5 Milliarden Euro, die unserem Sozialsystem schmerzlich fehlen."
Er begrüße daher den Mut der Bundesregierung, keine neuen Schulden mehr machen zu wollen, erklärte Schönborn. "Genauso wie ich mich über alle freue, die sich in der Spardiskussion als konstruktiver Anwalt der Solidarität und der Gerechtigkeit engagieren und die besonders darauf achten, dass die schwächsten Glieder der Gesellschaft auch mehr Schutz bedürfen." Der Kardinal äußerte sich zuversichtlich:
Wenn wir zusammenstehen, wird am Ende ein sozial verträgliches und gerechtes Sparen möglich sein.
Landau sieht "Rückenstärkung" durch Kardinal
Auf der Website der Erzdiözese ist in die Stellungnahme Schönborns auch ein Tweet eingefügt, in dem Caritas-Präsident Michael Landau auf die in der Folge kritisierte OTS-Aussendung über eine Pressekonferenz in Sarajewo reagierte, wo die Österreichische Bischofskonferenz ihre Frühjahrsvollversammlung abhielt. Landau sah in der Aussendung mit dem Titel "Schönborn begrüßt Regierungsbemühungen um Nulldefizit" keinen Anlass für Kritik, sondern vielmehr eine "Rückenstärkung" durch den Kardinal für die vorangegangene gemeinsame Erklärung ("Regierung demontiert schrittweise Sozialstaat") der neun diözesanen Caritasdirektoren. Landau zitierte via Twitter aus Schönborns Ausführungen in Sarajewo den Satz, es sei "richtig, dass die Caritas... auf d. Situation der Ärmsten im Land hinweist" und fügte hinzu: "Das müssen wir im Sinn des Evangeliums und der täglichen Arbeit #wirtun Danke!"
Nußbaumer: Bekanntes wurde wiederholt
"Im Grunde genommen sagt er das, was er schon seit vielen Jahren sagt", kommentierte der katholische Publizist und Herausgeber der Wochenzeitung "Die Furche", die Äußerungen von Kardinal Schönborn zur Sparpolitik der Regierung. Nämlich dass es auf Dauer nicht angehe, auf Kosten der kommenden Generationen Geld auszugeben. Die Zinsenlast für die Bevölkerung werde immer größer, dass Schönborn nunmehr das Null-Defizit-Ziel unterstütze, sei letztlich eine "Uraltgeschichte". Ein "Zurückpfeifen" der Caritas durch den Kardinal könne er nicht erkennen, meinte Nußbaumer, Schönborn und Landau verstünden sich gut.
Küberl für neuen Sozialhirtenbrief
Der ehemalige Präsident der Caritas, Franz Küberl, sprach sich am Freitag für ein vertieftes Gespräch zwischen Kirchenleitung und Caritas aus und plädierte dafür, auch einen neuen Sozialhirtenbrief der katholischen Kirche ins Auge zu fassen. Zu möglichen unterschiedlichen Sichtweisen von Kardinal und Caritas meinte Küberl, das "könnte auch damit zu tun haben, dass die Kirche mit ihrer Caritas zu wenig über das im Gespräch ist, was der Caritas und den Armen unter den Nägeln brennt".
Laut Küberl sei es an der Zeit, grundlegende Fragen der Sozialpolitik neu zu diskutiere: "Was sind die großen Aufgaben der sozialen Nachhaltigkeit? Wie stellt man sich den Verteilungsfragen? Was kann die Kirche nicht der endgültigen Gerechtigkeit überlassen, was muss schon in der irdischen Gerechtigkeit geklärt werden?" Darüber müsse geredet werden, und hier sei Schönborn in seiner Funktion als Vorsitzender der Bischofskonferenz gefordert, meinte der seit Mitte 2016 pensionierte Caritas-Chef der Diözese Graz-Seckau.
Ein Sozialhirtenbrief könne dazu beitragen, "dass man im Gesamt der Kirche, die immer mehrstimmig sein wird, eine gemeinsame soziale Grundmelodie erkennt". Die Caritas habe ein empfindliches Sensorium für soziale Brennpunkte, wies Küberl hin: "Wenn die auf etwas aufmerksam machen, würde ich der Gesellschaft schon empfehlen, hellhörig zu werden." Auch Papst Franziskus habe in den letzten Jahren vieles zu sozialen Fragen gesagt: "Das wird man in Österreich auch ein wenig verarbeiten, auf österreichische Verhältnisse umlegen müssen."
Quelle: kathpress