Theologe: Papst Franziskus ist weiterhin "durch und durch" Jesuit
Franziskus und sein bisher fünfjähriges Pontifikat sind von der Spiritualität der Jesuiten "durch und durch geprägt": Alle seine Schreiben griffen wesentliche Elemente des Ordens auf, wie der Innsbrucker Dogmatiker Prof. Roman Siebenrock im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe) darlegt. Jorge Mario Bergoglio trat vor genau 60 Jahren - am 11. März 1958 - als Novize in die Gesellschaft Jesu ein. Erst recht seit die Jesuiten 1972 ihre Sendung unter dem Leitwort "Glaube und Gerechtigkeit" zusammenfassten, trage Franziskus die Grundentscheidungen des Ordens selbstverständlich mit, so Siebenrock.
Als Beispiele führte der Innsbrucker Theologe die programmatische Schrift "Evangelii gaudium" an: Sie sei "durch die Jesus-Beziehung strukturiert" und bezeichne zugleich die sorgfältige "Unterscheidung der Geister" - die bei den Jesuiten gepflegte ständige Frage, inwieweit Gedanken, Gefühle und Prophetien von Gott stammen oder nicht - als Weg der Kirche in die Zukunft. Dieselbe Unterscheidung sei auch Herzstück der umstrittenen Abschnitte in "Amoris laetitia" - jenem Schreiben, mit dem Franziskus ermutige "zur geistlichen Begleitung, die integriert und segnet, nicht ausschließt und aburteilt".
Nicht vergessen dürfe man, dass der Jesuitenorden einst stark missionarisch ausgerichtet war und sein Gründer, der heilige Ignatius, von der Gestalt des heiligen Franz von Assisi fasziniert gewesen sei, ergänzte Siebenrock. Der mittelalterliche Franziskus habe das Evangelium in radikaler Armut gelebt; der von seinem Namen inspirierte Papst treibe eine "Entweltlichung" der Kirche voran und wohne dafür nicht im Palast, habe das spätabsolutistische Zeremoniell abgebaut und die Sommerresidenz Castel Gandolfo für Touristen geöffnet.
Anders als der von Johannes Paul II. praktizierte "atemberaubende Dialog nach Außen" gegenüber anderen Religionen und Wissenschaften sei für Papst Franziskus der innerkirchliche Dialog die wichtigste Notwendigkeit, so der Innsbrucker Theologe. Er greife damit ein "Herzensanliegen von Benedikt XVI." auf. Wie der Papst in seiner jüngsten, dem Bildungswesen gewidmeten programmatischen Erklärung "Veritatis gaudium" ("Die Freude der Wahrheit") darlege, verstehe er die Kirche als "Lernschule des Evangeliums", die die frohe Botschaft heute nur dann weitergeben könne, wenn sie es "mit den Menschen auf dem Weg neu lernt". Auch habe Franziskus die Ortskirchen in ihrer Selbstverantwortung gestärkt.
Differenziert äußerte sich Siebenrock zur Sprache des Papstes: Er bezweifle, "ob alle Beispiele von ihm gelungen sind" und betrachte etwa die öffentliche Kritik von Franziskus an der römischen Kurie "mit Zurückhaltung". Dennoch könne das Beispiel von Franziskus alle Christen dazu ermutigen, "auch in Glaubensangelegenheiten so zu schwätzen, wie das Maul gewachsen ist, natürlich nicht ohne eine bestimmte Sprachkultur zu unterbieten", unterstrich Siebenrock. Vor direkten Nachahmungen seien dennoch abzuhalten, gelte es doch stets die "Einheit von Person und Zeugnis" zu wahren.
Quelle: kathpress