Caritas-Direktor: Kürzungen bei Armen retten Sozialstaat nicht
Vor "taktischen Ablenkungsmanövern" gegenüber den tatsächlichen sozialen Problemen hat Oberösterreichs Caritas-Direktor Franz Kehrer gewarnt. Durch Schüren von Neid und Missgunst gegenüber schlechter bemittelten Menschen werde "Sand in die Augen gestreut, um nicht mehr klar sehen zu können, wo die wahren Probleme liegen", kritisierte er in einem Gastkommentar in den "Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN, Mittwoch). Gegen die allgemeine Behauptung, der Sozialstaat müsse mit Kürzungen bei den Ärmsten gerettet werden, müsse man "beherzt auftreten": Nicht zuletzt komme der Einsatz für soziale Gerechtigkeit allen zugute.
Probleme wie "eine ungezügelte globale Finanzwirtschaft, Steueroasen, ungebremst weiter steigende Immobilien- und Mietpreise sowie Vermögenskonzentration in den Händen einzelner weniger" gelte es ernsthaft anzupacken, forderte der Caritas-Direktor. Viele Menschen hörten jedoch weg bei Appellen zur gerechteren Verteilung des globalen Wohlstands, eingemahnt u.a. auch von Papst Franziskus. "Sie haben einen relativ guten Lebensstandard, und das ist gut so. Aber das gemeinsame Verständnis, dass das bei uns vor allem neben einer florierenden Wirtschaft einem funktionierenden Sozialstaat zu verdanken ist, ist nicht mehr selbstverständlich", so Kehrer.
Vernebelt werde auch, "dass wir alle von einem gut ausgebauten Sozialstaat profitieren", führte der Caritas-Direktor in seinem Gastkommentar anlässlich des "Welttags der sozialen Gerechtigkeit" (20. Februar) weiter aus. "Denn wer überlegt sich schon, wie wir unser Leben finanzieren würden, gäbe es keine Familienbeihilfe, kein Kinderbetreuungsgeld, keine Krankenversicherung, keine öffentlich finanzierten Spitäler, Altersheime, Pflegedienste, kein Arbeitslosengeld oder keine Pension?" Stabile Verhältnisse und Kaufkraft seien laut Kehrer nicht zuletzt wesentliche Voraussetzungen für wirtschaftliche Erfolge.
In den Caritas-Beratungsstellen werde bereits sichtbar, "dass immer mehr Familien mit mehreren Kindern Hilfe brauchen, weil sie von der erfolgten Deckelung der Mindestsicherung betroffen sind". Mit Spenden könne jedoch nur geholfen werden, akute Notlage zu überbrücken. Angesichts der steigenden Mietpreise werde es nämlich für Menschen mit geringem Einkommen "zunehmend zu einem wahren Kunststück, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten", berichtete der Linzer Caritas-Direktor. Doch weder auf Landes- noch auf Bundesebene höre man derzeit Nennenswertes über die "wichtige Grundfunktion des Sozialstaates, für leistbaren Wohnraum zu sorgen": Stattdessen werde eine noch weitere Liberalisierung der Mietpreise angedacht, kritisierte Kehrer.
Quelle: kathpress