St. Pölten: 120 Priester drücken zum Thema Jugend die Schulbank
Voraussetzung dafür, dass die Kirche mit der Frohbotschaft hilfreich bei der Sinnfindung heutiger Jugendlicher sein kann, ist "unser ehrliches Interesse an der Jugend - und das ohne Verzweckung". Das betonte Weihbischof Anton Leichtfried im Rahmen der Priesterstudientagung der Diözese St. Pölten im Bildungshaus St. Hippolyt, an der Bischof Klaus Küng, mehr als 120 Priester sowie Diakone und Pastoralassistenten teilnehmen. Die Tagung findet unter dem Titel "Die Jugendlichen von heute und morgen. Wie sie leben, denken und glauben" im Vorfeld der Weltbischofssynode über Jugendliche im Herbst statt.
Leichtfried berichtete laut einer Aussendung der Diözese St. Pölten am Dienstag, das Thema sei auch ohne diesen Anlass ein "Dauerbrenner" in den Pfarrgemeinden. Bei Visitationen höre er immer wieder sorgenvolle Fragen wie "Wie geht es weiter mit der Jugend? Wie können wir den Glauben an die nächste Generation weitergeben, wie können wir sie in die Kirche eingliedern?" Der Weihbischof hält es nicht für sinnvoll, nostalgisch auf die "gute alte Zeit" zu blicken. Er sei auch dagegen, "Schuldige" bei der Kirchenleitung, beim Pfarrer oder bei der Gesellschaft allgemein zu suchen, wenn es in der Jugendpastoral nicht gut laufe. Manchmal habe er auch den Eindruck, dass Jugendliche zwar zahlreich zur Messe kommen sollten, gleichzeitig aber den gewohnten Kirchenbetrieb "nicht stören" sollten, so Leichtfried.
Der in der Diözese für Priesterfortbildung zuständige Weihbischof warf in seinem Statement die Frage auf, "warum uns die Jugend interessiert". Seine Antwort: "Weil wir das Beste für sie wollen; sie sollen den Sinn ihres Lebens finden können." Dabei spiele der Glaube und das Kennenlernen eine besondere Rolle. Um Jugendliche mit kirchlichen Angeboten zu erreichen, sei echtes Interesse an ihnen entscheidend, hielt Leichtfried fest.
Einblicke in die vielfältigen Lebenswelten geben bei der noch bis Mittwoch andauernden Priesterstudientagung die renommierte Wiener Soziologin Beate Großegger, Salesianerpater Michael Kaplanek aus Budweis, der im stark atheistisch geprägten Umfeld Tschechiens als Priester viele Erfahrungen in der Jugendpastoral gemacht hat, sowie Internet-Experte Carl Rauch vom Medienhaus der Erzdiözese Wien.
"Wandel ist einzige Konstante"
Die einzige Konstante für heutige Jugendliche sei der dynamische Wandel, es gebe weniger Orientierungsmöglichkeiten, wies Großegger in ihrem Vortrag hin. Die Soziologin sprach von einer vielfach verunsicherten, angepassten, planlosen, erfolgsorientierten, aber auch erschöpften Generation. Die Jugend sei geprägt von einem gehobenen Wohlstandsniveau und gleichzeitig unsicheren Zukunftsperspektiven. Ihre Hoffnungen richten sich laut Studien auf mehr Arbeitsplätze für junge Menschen mit und ohne akademische Ausbildung schaffen, auf bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auf eine echte Reform des Pensionssystems.
Das Leben werde härter und schneller, erklärte Großegger. Facetten davon seien Multitasking mit dem Ziel "mehr in kürzerer Zeit", ein "digitaler Stress" durch das zwanghafte "always on" und die hohe Informationsdichte bei gleichzeitig fehlender Selektionskompetenz. Großegger beschrieb auch das Phänomen "Gegenwartsschrumpfung": Was heute gültig ist, sei morgen vielleicht schon überholt. Das bedeute Stress für Jugendliche, Burnout und Depression seien die Folge.
Das Motto der Gesellschaft sei heute "fördern und fordern", sagte die Soziologin. Schwächeren werde vermittelt, dass sie sich mehr anstrengen müssten. Sei es früher darum gegangen, sich Optionen offen zu halten, gelte es heute sich bietende Optionen offensiv zu nutzen. Das sei ein Dauerdruck, der auf Jugendlichen lastet.
Prägend für unsere Epoche seien digitale Technologien: Sie verändern die Art und Weise, wie sich Jugendliche informieren und unterhalten, aber auch deren Umgang miteinander. Gleichaltrigengruppen (Peer Groups) lebten mehrheitlich eine leise, stille Jugend - mit Rückzug in die digitalen Lebenswelten, so Großegger. Mobiles Internet werde zur Regel, Entertainment komme zuerst - und das Smartphone bediene die taktilen Bedürfnisse der Jugend.
Auch "Exklusionsgefährdete" als Zielgruppe
Für die kirchliche Jugendarbeit sah die Expertin als Ansatzpunkte, dass die Kirche als "Dienstleisterin" Infrastruktur ohne Normendruck bereitstellt, dass sie "exklusionsgefährdete" Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Milieus als Zielgruppe betrachtet und generell Engagementbereitschaft für junge Menschen zeigt. Wichtig wäre es, ein "neues Ehrenamt" jenseits vom "verstaubten Image" zu entwickeln, riet Großegger. Das bedeute freilich mehr Flexibilität, Diversität und Generationenmix auch auf der Entscheider-Ebene und mehr "Performativität" mit handlungs- und erlebnisorientierten Angeboten. Lob zollte die Soziologin dem Modell der Caritas-"Lerncafés": Da werde konkret gearbeitet, für alle Beteiligten gebe es sofort spürbaren Wert.
Abschließender "Merksatz" der Fachfrau: Die heutige Jugend sei nicht besser oder schlechter als Generationen vor ihr. "Sie ist anders."
Quelle: kathpress