Theologie in Hörsälen ohne Kreuz: "Es bleibt Unbehagen"
Der Abschied von den Kreuzen aus den Hörsälen der Universität Wien "stimmt nachdenklich". Die Entscheidung der Universitätsleitung, dass künftig keine Hörsäle mehr mit Glaubenssymbolen zu versehen sind, hat den Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück zur kritischen Anfrage veranlasst:
Muss die Achtung vor der Andersheit Andersdenkender und Andersgläubiger so weit gehen, dass das Eigene der Theologie keinen sichtbaren Ort mehr hat in den Hörsälen der Universität Wien?
In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" beklagte Tück auf faz.net (Freitag) die Entfernung der Kreuze als "symbolpolitischen Einschnitt von historischer Tragweite", hingen doch seit Gründung der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät 1384 Kreuze in deren Hörsälen. Für ihn "bleibt Unbehagen".
Drei von der Katholisch-Theologischen Fakultät im Wiener Uni-Hauptgebäude seit vielen Jahrzehnten genutzte Hörsäle waren im Wintersemester aus Brandschutzgründen umgewidmet worden. Künftig werden theologische Lehrveranstaltungen in anderen Hörsälen im Tiefparterre stattfinden - und zwar auf Anweisung der Universität ohne Kreuz an der Wand, weil sie auch von anderen Fakultäten genutzt werden sollen.
Zwar könne er die Position der Universitätsleitung nachvollziehen, die im Verhältnis zu den Religionen und Weltanschauungen auf eine Haltung der "Äquidistanz" poche - zugleich aber orte er ein in der Entscheidung ein bedenkliches "laizistisches Gefälle", denn wenn man gewollt hätte, so hätte es auch Alternativen oder eine Kompromisslösung gegeben, erinnerte Tück in der FAZ an eine ähnliche Debatte an der Universität Innsbruck. Dort hatte man der Fakultät zugebilligt, zumindest noch in einem der Räume ein Kreuz zu belassen. Auch habe es keinerlei Konsultations- oder Meinungsbildungsprozess zu dieser Frage an der Universität gegeben, kritisierte Tück.
Darüber hinaus bleibe ein prinzipielles "Unbehagen", da mit dem Kreuz ein zentrales Symbol nicht nur des Christentums aus der Universität verschwinde, sondern ein Symbol, das "die Kultur und Geschichte Österreichs" und im Speziellen auch die Geschichte der Universität Wien geprägt habe. Insofern spreche ein gewisses Maß an "Geschichtsvergessenheit" aus der aktuellen Entscheidung, so Tück.
Mahnzeichen für Fehlbarkeit
Theologisch sei freilich "Wachsamkeit geboten, wenn das Kreuz zum Kultursymbol heruntergestuft und sein Provokationspotential verharmlost wird". Es sei ein bleibender "Skandal", das Sterben eines unschuldigen Menschen sichtbar zu machen, von dem Christen öffentlich bekennen, dass er der Christus und der Sohn Gottes ist. Das Kreuz bringt nach den Worten des Dogmatikers ans Licht, was gerne abgedrängt und vergessen werde: "Es erinnert an die Verwundbarkeit und Fehlbarkeit menschlichen Lebens, es spiegelt Erlösungsbedürftigkeit und Sterblichkeit". Gerade in Zeiten zunehmender Ökonomisierung des Wissens und von Bestrebungen, "den Menschen digital und biotechnisch unverwundbar, ja, unsterblich zu machen", sei das Kreuz ein Mahnzeichen, wies Tück hin.
Neben der historischen Zäsur wirft der Vorgang an der Uni Wien für den Theologie-Professor eine grundsätzliche Frage auf - nämlich: "Welches Verständnis von Religionsfreiheit steht im Hintergrund, wenn die Universitätsleitung in den neuen Hörsälen ausnahmslos keine religiösen Symbole mehr zulässt?" Dies provoziere die Anschlussfrage, wie das entstehende symbolische Vakuum gefüllt wird: "Bleibt die weiße Wand wirklich leer?"
Quelle: kathpress