Festschrift für Religionsrechtler Raoul Kneucker präsentiert
Bei einem Festakt an der Universität Wien ist am Wochenende der Religionsrechts-Experte, evangelische Oberkirchenrat, Europapolitik-Dozent und frühere Ministeriums-Sektionschef Raoul Kneucker geehrt worden. Als modernen "Homo universalis" im Sinne des weltoffenen und gebildeten Renaissance-Menschen wird Kneucker, der am 13. Februar 80 wurde, von den Herausgebern einer Festschrift bezeichnet. Herausgegeben von Prof. Gertraud Diem-Wille, Prof. Ludwig Nagl, Prof. Anton Pelinka und Prof. Friedrich Stadler wird in dem "Böhlau"-Band der Versuch unternommen, 60 Jahre eines erfolgreichen beruflichen Lebens in den Blick zu nehmen. Autorin in dem Band ist auch die frühere KPH-Hochschulratsvorsitzende und Wiener Diözesanschulamtsleiterin Christine Mann.
Wie Prof. Diem-Wille im Vorwort der Festschrift schreibt, stehe das Schicksal von Raoul Kneuckers Vater, der wegen seiner jüdischen Herkunft fliehen musste, "stellvertretend für die Verwerfungen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts, mit Vernichtung seiner Familie im Holocaust, erzwungener Emigration und nicht erfolgter Rückkehr in seine Heimatstadt". Vor diesem Hintergrund habe Raoul Kneucker mit seiner Mutter und ihrer Familie nach dem "Anschluss" das Überleben und Leben gelernt und "in einem permanenten Orientierungsprozess in Graz und Wien trotz aller Widrigkeiten eine eindrucksvolle berufliche Karriere mit Ausflügen in die Wissenschaft aufgebaut".
In der Religion habe sich für Kneucker im Spannungsfeld zwischen Christentum, Judentum und Islam ein ökumenischer Auftrag ergeben, der an die dialogische Philosophie eines Martin Buber erinnere, so Diem-Wille: "Rechtliche Voraussetzungen der Theologie und religiöse Praxis werden perspektivisch miteinander verbunden und in einem Bildungsprozess aufbereitet. Das ist in der heutigen Zeit mit einer zunehmend geistigen und gewaltsamen Konfrontation der Religionen im lokalen und globalen Ausmaß eine permanente Herausforderung, der man im Sinne von Raoul Kneucker nur kosmopolitisch und aufklärerisch begegnen kann."
"Genialer Grenzgänger"
An der Feier am Freitagabend nahmen zahlreiche renommierte Wegbegleiter teil, die Kneucker in unterschiedlichsten Kontexten kennen und schätzen gelernt haben, darunter Rudolf Scholten, Caspar Einem, Heinz Fischer, Erhard Busek, Manfred Welan, Manfred Nowak und Christine Mann. Betont wurde, dass es unter anderem der Umgang mit den diversen Grenzen sei, der Raoul Kneucker auszeichne: "Ein genialer Grenzgänger im Ausloten gebotener Grenzen, aber immer auf der Suche nach Durchgängen und Übergängen, die auf Gemeinsamkeiten diesseits und jenseits von Grenzen basieren", war sich die Gratulantenschar einig. Nach einer langen und erfolgreichen Tätigkeit im Wissenschaftsministerium, zuletzt als Sektionschef, folgten Vorlesungstätigkeiten an den Universitäten Wien und Innsbruck.
Kneuckers Engagement als Juristischer Oberkirchenrat in der evangelischen Kirche und seine Beiträge zu gelebter Ökumene verdienten auch von Seite der katholischen Kirche besondere Würdigung, betonte Christine Mann. Kneucker habe als Mitglied der 2003 von allen Kirchenleitungen geschaffenen Ökumenischen Expertengruppe unter der Leitung von Walter Hagel, die den Verfassungskonvent mit zahlreiche Vorschlägen im Grundrechtsbereich begleitet habe, dann aber auch nach dessen Ende 2005 regelmäßig Stellungnahmen zu diversen Gesetzesvorlagen vorbereitet. Zahlreiche Grundsatztexte, wie z.B. zur Frage Religion und Öffentlichkeit, seien dadurch entstanden.
Schönborn: "Mitkämpfer und Mitdenker"
Mit Blick auf diese gelungenen Kooperationen äußerte sich auch Kardinal Christoph Schönborn. Der Wiener Erzbischof würdigte Kneucker zu dessen Festtag als "Mitkämpfer und Mitdenker".
Darüber hinaus sei Kneucker in der Vorgeschichte und in den ersten Jahren der ökumenisch getragenen Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems (KPH) mittragend und mitgestaltend an vorderster Position tätig gewesen, wie Christine Mann in der Festschrift ebenso wie bei der Feier betonte: "Seine Grundsatzarbeiten kamen aber nicht nur der KPH Wien/Krems, sondern allen kirchlichen pädagogischen Hochschulen und Einrichtungen zugute.
Es war einfach schön zu sehen, wie überall dort, wo Raoul Kneucker mitarbeitete, die Dinge Gestalt annahmen und die Menschen wachsen konnten.
Kneucker, der stellvertetender Vorsitzender des KPH-Hochschulrats war, habe diese Einrichtung viel zu verdanken, so Mann:
Aber auch ich durfte viel von ihm und seinen Erfahrungen im tertiären Bildungsbereich lernen. Und für die dabei gewachsene Freundschaft bin ich dankbar.
(Neuerscheinungstitel: "Europa, Demokratie, Ökumene, Kultur. Festschrift für Raoul Kneucker", herausgegeben von Gertraud Diem-Wille, Ludwig Nagl, Anton Pelinka und Friedrich Stadler; Böhlau-Verlag)
Quelle: kathpress