Bischof Glettler: "Für mich ist Kunst ein Lebensmittel"
"Für mich ist Kunst auf jeden Fall ein Lebensmittel": Einmal mehr hat der studierte Kunsthistoriker und selbst künstlerisch tätige Innsbrucker Bischof Hermann Glettler dargelegt, dass für ihn Kunst - auch "unbequeme" - eine Herzensangelegenheit ist. Er sehe als ersten Auftrag von Kunst "die Unterbrechung, das Schaffen eines Freiraums vom permanenten Funktionieren-Müssen", erklärte er in einem Interview für die "Tiroler Tageszeitung" am Samstag. Kunst sei auch "hoffentlich unbequem genug, um den Finger auf Wunden zu legen, die nicht verdrängt werden dürfen". Zugleich sei sie weder ein Moralinstitut noch eine Erziehungsanstalt. "Und für die Kirche sollte die Kunst hoffentlich auch mehr sein, als nur eine brauchbare Unterstützung für die Verbreitung der Glaubenslehre", so Glettler.
Der Bischof bedauerte, dass sich Kunst und Kirche seit dem 19. Jahrhundert immer mehr auseinanderentwickelt hätten. "Der Mut und die Entschlossenheit, dass man zur Gestaltung des Heiligen die besten Künstler beauftragt", seien in der Kirche leider geschwunden. Von Seiten der Künstler gäbe es nach Glettlers Erfahrung ein großes Interesse, sich mit spirituellen Inhalten auseinanderzusetzen:
Selbst jene, die sich an der Kirche kritisch reiben, freuen sich meist über eine Einladung, in einem sakralen Raum arbeiten zu dürfen. Und sie sind in ihrem Tun dann meist sehr sensibel und wertschätzend.
Trotzdem sei der "breite Graben" zwischen zeitgenössischer Kultur und Kirche unbestreitbar. Glettler ortete "Berührungsängste auf beiden Seiten ... Aber das kann sich ja ändern".
Er selbst wolle dazu in seiner Diözese beitragen:
Was ich hier in Tirol vorhabe, ist sicher nicht programmatisch in dem Sinn, dass ich unbedingt Kunst präsentieren will. Aber wenn sich Freiräume auftun, ja.
Als aktuelles Beispiel nannte der Bischof die Altarwand in der Lacknerkirche des neu gestalteten Bildungshauses St. Michael in Matrei am Brenner. Dafür seien vier Tiroler Kunstlschaffende zu einem Wettbewerb eingeladen worden: "Ich bin schon sehr gespannt."
Wertschätzung für Kunst durch Aufträge
Wertschätzung für Kunst werde durch Aufträge konkret, was für Glettler weniger eine Frage des Geldes - "schlechtes Zeug kostet auch Geld" - ist als eine der inneren Einstellung. Es gelte auch "etwas zuzulassen, was im Moment die ästhetischen Grenzen des eigenen Geschmacks übersteigt". Deshalb sei der Rat von Experten wichtig: "Über Kunst kann man nicht abstimmen."
Als Bischof wolle er auch als Vermittler zwischen Kunst und Kirche agieren. Die Kirchen sollten "zum Austragungsort für die wesentlichen Fragen unserer Zeit werden - für alles, was den Menschen von heute betrifft, seine Sehnsuchtspotentiale und auch seine Abgründe". Mit zeitgenössischer Kultur sei da "viel zu machen". Er sei fest davon überzeugt, dass man durch gute Kunst beschenkt wird, betonte Glettler. "Voraussetzung ist, dass man sich berühren, trösten und in Frage stellen lässt."
Quelle: kathpress