Wien: Kultusgemeinde-Vertreter bleiben Holocaust-Gedenken fern
An der offiziellen Gedenkveranstaltung des österreichischen Parlaments zum Internationalen Holocaust-Gedenktag haben am Donnerstagabend in Wien wegen der Anwesenheit von FPÖ-Politikern keine Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) teilgenommen. Es handle sich dabei nicht um Dialogverweigerung, sondern um eine Grenze des Zumutbaren für die Nachkommen von Ermordeten und Überlebenden der Shoa, erklärte World-Jewish-Congress-Vizepräsident Ariel Muzicant. Er verteidigte in einem ORF-ZiB2-Interview das Fernbleiben der IKG bei dem von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) organisierten Zeitzeugengespräch im Wiener Palais Epstein. Vier NS-Überlebende berichteten dort im Gespräch mit der Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, über ihr Schicksal während der NS-Zeit.
Das Fernbleiben sei kein Protest gegen die Veranstaltung oder Parlamentspräsident Sobotka, hielt Muzicant fest, sondern gegen "Rechtspopulisten mit Nähe zum Nationalsozialismus". Auch der Jüdische Weltkongress, der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin und die Europäische Rabbinerkonferenz teilten den Standpunkt der heimischen Kultusgemeinde, erklärte Muzicant, der selbst von 1998 bis 2012 Präsident der IKG Wien war.
Der Beschluss des IKG-Vorstandes um Präsident Oskar Deutsch, im heurigen Gedenkjahr alle Veranstaltungen zu boykottieren, an denen auch FPÖ-Minister teilnehmen, sorgte bereits in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen. Die IKG will demnach auch weiterhin keine politischen Kontakte zu Vertretern der FPÖ unterhalten, auch nicht zu Regierungsmitgliedern. Als Grund für die Ablehnung nannte die Kultusgemeinde das Gedankengut deutschnationaler Burschenschafter und deren antisemitische Tendenzen.
Verständnis und Solidarität für den Schritt kam auch aus den Kirchen, darunter vom lutherischen Bischof Michael Bünker und dem katholischen Theologen und Präsidenten des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Martin Jäggle. Die Kultusgemeinde weise zurecht darauf hin, dass jede Distanzierung von antisemitischem Gedankengut nicht glaubwürdig ist, wenn dem kein "schmerzlicher, aber heilsamer Prozess der Reue" voranging, hatte Jäggle am Donnerstag gegenüber "Kathpress" betont.
Noch immer tiefe Wunden
An der Parlaments-Gedenkveranstaltung zum Holocausttag nahm neben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und zahlreichen weiteren Spitzenpolitikern auch FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache teil. Von Seiten der Religionsgemeinschaften waren der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, und Rabbi Mordechai Fiksler anwesend. Letzterer sang zum Abschluss der Veranstaltung das jüdische Gebet zum Totengedenken "El Male Rachamim".
Nationalratspräsident Sobotka bedauerte in seinen Begrüßungsworten das Fernbleiben von IKG-Präsident Deutsch. Dies zeige, wie tief die Wunden noch immer seien: "Präsident Deutsch sowie andere VertreterInnen der IKG sind und bleiben eingeladen", betonte Sobotka. Die Plätze würden für sie freigehalten, und sollten sie weiter frei bleiben, würde er, so der Nationalratspräsident, dies auch als einen Beitrag zum aktuellen Gedenkjahr verstehen.
Zeitzeugen erinnern an NS-Gräuel
Die vier Zeitzeugen - Victor Klein, Herbert Löwy, Fritz Rubin-Bittmann und Alfred Schreier - die sich seit einigen Jahren in Wien regelmäßig zu einer "Mittwochsrunde" in einem Café zum Gedankenaustausch treffen, berichteten in teils berührenden Worten über die erlebten Gräuel während und nach der NS-Herrschaft.
Victor Klein, von dessen Familie nur der Vater und sein Bruder das Konzentrationslager Auschwitz überlebt haben, erklärte, es sei ihm die "Kunst, das zu überleben", zu Teil geworden. "Das israelische Volk lebt und hat die Hitlerzeit überlebt. Das ist mein persönlicher Sieg, dass ich die Faschisten, den Kommunismus und jeden -ismus überlebt habe und überleben werden", sagte Klein.
Quelle: kathpress